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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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das
Gebilde mit etwas Fantasie für eine kleine Wehranlage halten konnte. Sie liegt
tiefer im Wald. Also entfernte sich der Bär immer weiter vom Zoo — und damit
würde es immer schwieriger werden ihn aufzuspüren. Es sei denn, beide besannen
sich morgen zur Fütterungszeit und kehrten zurück ins Gehege.
    Tim überlegte nicht lange. Ohne
Handy lief gar nichts. Er kletterte hinunter, schlüpfte in seine Turnschuhe und
verknotete den zerrissenen Schnürriemen so gut es ging.
    Ständig achtete er auf seine
Umgebung. War irgendwo eine Bewegung? Kam der Bär zurück?
    Die Dämmerung wob graue Schleier.
Der Rand der Lichtung wurde zur grünen Wand. Unter den Bäumen verkürzte sich
die Sicht.
    Tim spürte Gänsehaut im Genick,
lief aber los, gebückt und so leise wie möglich. Jetzt hatte er den Trimmpfad
erreicht. Unter die Bäume! Er blieb stehen. Es dauerte nur einen Moment und
seine Augen hatten sich an das Zwielicht gewöhnt. Er lief langsam, achtete auf
Geräusche und die ziemlich strenge Ausdünstung des Bären. Von der drang nichts
in die Nase. Im Gegenteil: Der Wald duftete frühlingsfrisch.
    Der TKKG-Häuptling konnte
ziemlich genau abschätzen, wo sich die Joggerinnen befanden. Etwa 50 Meter
voraus. Hier wuchs Mischwald mit beachtlichen Bäumen. Eine Fichte ragte heraus.
Sie war gewaltig, gut dreißig Meter hoch, beanspruchte Platz und breitete
gesunde Äste nach allen Seiten aus. Die untersten waren in Kopfhöhe.
    Neben dem Stamm stehend,
blickte Tim hinauf. Die Joggerinnen — gelb und mittelblau — hingen in sechs
oder sieben Meter Höhe wie reife Früchte. Er war so lautlos gekommen, dass sie
ihn jetzt erst bemerkten. Wieder quiekte die eine — vermutlich Gundula.
    „Ich bin’s“, sagte er. „Nicht
der Bär. Wo liegt das Handy?“
    „Auf der anderen Seite. Hinter
dem Stamm“, antwortete seine Gesprächspartnerin.
    Sie hieß Eva Liebmann, wie er
später erfuhr, war Praxishelferin bei einem Zahnarzt und joggte dreimal
wöchentlich für eine bessere Figur.
    Tim fand das Mobiltelefon. Es
war in einen Ameisenhaufen gefallen und vermutlich unbeschädigt. Tim musste
einige Tierchen abschütteln.
    Als er das Handy aufklappen
wollte, dröhnten plötzlich schwere Tatzen auf dem benadelten Waldboden.
    Meister Petz hatte sich still
verhalten und in der Nähe gelauert. Jetzt preschte er heran. Tim sah ihn nicht,
aber er hörte ihn kommen.
    Oben in der Fichte schrie Eva: „Er
kommt! Der Bär kommt zurück! Tim, der Bär ist da.“
    Tim schob das Handy in die
Hosentasche, hechtete gleich zu einem der etwas höheren Äste und zog sich
hinauf. Als der Bär heran war, befand sich der TKKG-Häuptling außer Reichweite
und kletterte überaus gewandt — was ihm früher den Spitznamen Tarzan
eingebracht hatte — weiter hinauf. Unterhalb der beiden Frauen setzte er sich
in eine Astgabel.
    „Guten Abend, die Damen! Ich
bin Tim, bin Heimschüler an der berühmten Internatsschule. Meine Freundin ist
vermutlich vor den Bären in den Wald geflüchtet. Ich suche nach Gaby. Habt ihr
zufällig ein blondes Mädchen gesehen?“

    Weder Eva noch die vollschlanke
Gundula — beide waren Anfang zwanzig — hatten Gaby gesehen. Sie zitterten. Sie
hockten rittlings auf starken Ästen und umklammerten den Fichtenstamm. Gundula
roch nach Angstschweiß und das drang natürlich auch dem Bären in die Nase.
Vielleicht konnte er daran die zu erwartende Fleischportion abschätzen.
    Jedenfalls stand er reglos
unten am Baum. Und starrte offenbar herauf. Tim konnte es nicht genau sehen.
Die Dämmerung ließ das nicht mehr zu. Außerdem waren Äste im Blickfeld. Der Bär
wirkte jetzt noch massiger, im Zwielicht ein mächtiger Schatten mit
zerfließendem Umriss. Das war unheimlicher als vorhin. Der Bär wurde zur
urzeitlichen Bedrohung schlechthin.
    So etwa, dachte der
TKKG-Häuptling, müssen sich die Höhlenmenschen gefühlt haben — bedroht vom
Säbelzahntiger, vom Höhlenbären, vom Mammut. Ja, unsere Urahnen hatten nur
primitive Waffen und vor allem — kein Handy.
    „Ich rufe jetzt an“, verkündete
er und klappte das Handy auf.
    Auf dem Display schimmerten
Digitalziffern. Na, also!
    Tim wählte Glockners Handy-Nummer
und Gabys Vater meldete sich sofort. Tims erste Frage galt natürlich seiner
Freundin. Aber der Kommissar hatte keine gute Nachricht.
    „Nichts, Tim! Gaby ist noch
nicht zurück. Wir haben über Lautsprecher nach ihr gerufen. Keine Reaktion.“
    „Davon war hier nichts zu
hören. Wo sind Sie jetzt?“
    „Noch am

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