Vergebliche Suche nach Gaby
Bären-Steaks und Bären-Schinken.“
Bruno starrte seinen Bruder an.
„Du... du hast... du hast doch nicht etwa nachgeholfen?“
Sigi feixte. „Ganz schön
clever, was?“
„Du... du hast die Bären
befreit?“
„Nicht ich selbst, Bruno! Nicht
ich selbst! Ich habe es veranlasst. Ich lasse machen.“
„Ich... glaub’s nicht.“
„Du sollst sehen, es
funktioniert. Nachher klingelt das Telefon und ich kann die Kadaver abholen.
Die werden dann natürlich gleich fachmännisch ausgeweidet — und alles kommt in
meinen Kühlwagen.“
„Ich... glaub’s nicht“,
murmelte Bruno zum zweiten Mal.
„Willst du mitfahren nach
Belgien?“
„Besser, ich bin zu Hause. Die
Bullen werden vorbeikommen und fragen — ob ich das Mädchen gesehen habe.“
„Richtig! Aber das Geld bleibt
hier?“
„Das Mädchen auch, Sigi.“
„Ich rufe jetzt an. Claude
Bristol — das ist mein Partner beim Menschenhandel — soll sie abholen. Der hat
ein entsprechendes Fahrzeug und fällt weniger auf als ich. Wie ich den kenne,
ist er morgen Abend hier. Spätestens übermorgen.“
Bruno sah in den Garten hinaus,
wo es allmählich dämmerig wurde.
„Und sobald Bristol sie hat,
ist sie verschwunden für immer?“
„Worauf du dich verlassen
kannst, Bruno. Dann — wird man hier nie wieder von ihr hören.“
7. Gebrülle
im Wald
Tim hatte nur eine Möglichkeit,
die beiden Joggerinnen abermals zu warnen. Er musste brüllen aus voller Lunge.
„Achtung!“, dröhnte seine
Stimme durch den Wald. „Der Bär verfolgt euch. Der Bär ist hinter euch her.
Nicht weiter laufen! Klettert auf einen Baum — einen stabilen Baum. Und so hoch
wie möglich!“
Er hielt kurz inne. Dann: „Habt
ihr mich gehört? Bitte, antworten! „
Er lauschte. Im Wald brachen
Zweige. Der Bär ließ die Sau raus und richtete Flurschaden an, blieb offenbar
nicht auf dem Weg, sondern kürzte ab durch die Büsche.
Entfernt antwortete eine
Frauenstimme. Jedes Wort zitterte in der Abendluft.
„Wir... sind schon hoch
gestiegen. Auf eine Tanne... nein, Fichte. Aber Gundula ist nicht
schwindelfrei.“
„Wie hoch seid ihr?“, brüllte
Tim.
„Vier Meter... etwa.“
„Das reicht nicht! Höher! Los,
los! Bären können klettern.“
„Ja, wir versuchen es. Da... da
ist er schon. Gundula, komm!“
Für einen Moment herrschte
Stille. Und Tim hoffte inständig, dass keine der Sportlerinnen vom Baum fiel.
Lauftraining reicht nicht,
dachte er. Viele weibliche Traberinnen hecheln zwar an gegen Orangenhaut und
Speckpölsterchen. Aber klettern tut Not, kann lebensrettend sein — wie jetzt.
Aufbaumen nach Zeit — muss zum Pflichtprogramm werden. Hoffentlich sitzt auch
Gaby irgendwo auf einem Baum — außer Hörweite, leider, aber hoch und sicher,
nicht in Reichweite des zweiten Bären! Nichts wünsche ich mir mehr! Es muss
einfach so sein! Es muss!
„Alles in Ordnung?“, schrie er.
„Wir sind höher gestiegen“, kam
die Antwort aus dem Wald. „Gundula ist übel. Wir... haben Angst.“
„Ist der Bär noch da?“
„Er steht unten und guckt hoch
zu uns.“
„Kein Gespräch mit ihm
anfangen! „ Tim versuchte, witzig zu sein — in der Hoffnung, das könnte die
beiden ermuntern.
Er hörte nicht, ob sie lachten.
Stattdessen rief die Frau: „Ich habe mein Handy dabei. Aber mir fällt keine
Nummer ein, die ich anrufen könnte.“
Und das sagt sie jetzt, dachte
Tim. Ein Glück, dass es ihr überhaupt noch einfällt.
„Ich nenne Ihnen eine Nummer“, rief
er. „Ein Kommissar Glockner wird sich melden. Sagen Sie ihm, wo Sie sind und
dass Sie seine Rufnummer von mir haben — von Tim — von Tiiiiiiiimmmmmmm! Der
Kommissar und ein Polizei-Aufgebot sind schon am Zoo.“
„Verstanden!“, rief die Frau.
Tim grölte Kommissar Glockners
elfstellige Handy-Rufnummer, wartete und überlegte, ob er hinuntersteigen und
seine Turnschuhe holen sollte. Dann ertönte ein Schrei — ein entsetzter Schrei.
Es war die Stimme der Frau. Ihm fuhr’s kalt über den Rücken.
„Was ist los?“
„Mein Handy! Mein Handy ist
runtergefallen. Ich... ich zittere so sehr.“
Tim murmelte ein weit
verbreitetes Vulgärwort und schloss für einen Moment die Augen.
„Haben Sie schon telefoniert?“,
rief er dann.
„Nein. Ich hatte mich zweimal
verwählt.“
„Wo ist der Bär?“
„Wir sehen ihn nicht mehr. Er
ist weitergelaufen. In Richtung Brummer-Schanze.“
So hieß eine Ansammlung
eiszeitlicher Felsbrocken, die von der Natur so angeordnet waren, dass man
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