Vergebung
machen, aber kurz vor dem Prozess möchte ich einen längeren Text präsentieren können, vielleicht eine ganze Doppelseite, die den Wahrheitsgehalt aller Behauptungen überprüft, die man über Lisbeth Salander in die Welt gesetzt hat. Fangen Sie an, indem Sie sich alle Presseausschnitte durchlesen und eine Liste der Dinge aufstellen, die über sie gesagt wurden.«
»Mach ich...«
»Denken Sie wie ein Reporter. Untersuchen Sie, wer diese Story in Umlauf gebracht hat, warum sie in Umlauf gebracht wurde und wem sie nützt.«
»Aber wenn der Prozess losgeht, bin ich schon nicht mehr bei der SMP . Wie gesagt, das ist meine letzte Praktikumswoche.«
Erika zog ein Blatt aus der Schreibtischschublade und legte es vor Johannes Frisk auf den Tisch.
»Ich habe Ihr Praktikum bereits um drei Monate verlängert. Natürlich nur, wenn Ihnen das recht ist.«
»Aber natürlich.«
»Sie werden hiermit für einen Rechercheauftrag außerhalb der normalen redaktionellen Tätigkeit angestellt. Sie arbeiten direkt für mich und sollen eine Sonderberichterstattung über den Salander-Prozess für die SMP durchführen.«
»Der Nachrichtenchef wird sicherlich nicht begeistert sein …«
»Wegen Holm machen Sie sich bitte keine Sorgen. Ich habe bereits mit dem Chef der Rechtsabteilung gesprochen und dafür gesorgt, dass es da keine Kollisionen gibt. Aber Sie werden sich bei Ihrer Arbeit im Hintergrund halten. Wie hört sich das an?«
»Klasse.«
»Na dann … wären wir ja fertig. Wir sehen uns am Montag.«
Als sie aufblickte, sah sie Anders Holm, der sie von seinem Schreibtisch aus musterte. Er schlug rasch die Augen nieder und tat so, als hätte er sie nicht angesehen.
11. Kapitel
Freitag, 13. Mai - Samstag, 14. Mai
Mikael Blomkvist vergewisserte sich, dass er nicht beschattet wurde, als er am Freitagmorgen von der Millennium -Redaktion zu Lisbeth Salanders alter Wohnung in der Lundagatan ging. Er musste nach Göteborg fahren und sich mit Idris Ghidi treffen, wozu er sich aber erst noch ein sicheres Transportmittel organisieren musste, in dem er weder beobachtet werden noch Spuren hinterlassen konnte. Nach reiflicher Überlegung hatte er beschlossen, nicht den Zug zu nehmen, weil er seine Kreditkarte nicht benutzen wollte. Normalerweise lieh er sich für so etwas Erika Bergers Auto aus, aber das war nun nicht mehr möglich. Er hatte überlegt, Henry Cortez oder einen von den anderen zu bitten, ihm einen Leihwagen zu mieten, kam aber zu dem Schluss, dass er dabei auch wieder irgendwelche Spuren hinterlassen würde.
Schließlich kam er auf die naheliegende Lösung. Er hob sich einen größeren Bargeldbetrag von einem Geldautomaten in der Götgatan ab. Dann sperrte er mit Lisbeth Salanders Schlüssel ihren weinroten Honda auf, der seit März verlassen vor ihrer Wohnung stand. Nachdem er sich den Sitz eingestellt und sich vergewissert hatte, dass der Tank halb voll war, setzte er aus der Parklücke und steuerte über die Liljeholm-Brücke die E 4 an.
Er parkte um 14 Uhr 50 in einer Nebenstraße der Avenyn in Göteborg. Im erstbesten Café, an dem er vorbeikam, aß er ein spätes Mittagessen. Um 16 Uhr 10 fuhr er mit der Straßenbahn bis Angered und stieg im Zentrum aus. Er brauchte zwanzig Minuten, bis er die Wohnung von Idris Ghidi gefunden hatte, und kam daher knapp zehn Minuten zu spät.
Idris Ghidi hinkte. Er machte die Tür auf, gab Mikael Blomkvist die Hand und bat ihn in ein spartanisch eingerichtetes Wohnzimmer. Auf einer Kommode neben dem Tisch, an den Mikael sich gesetzt hatte, stand ein Dutzend gerahmter Fotos, die er eingehend betrachtete.
»Meine Familie«, erklärte Ghidi. Er sprach mit starkem Akzent.
»Sind das Ihre Brüder?«
»Meine zwei Brüder ganz links wurden in den 80er-Jahren von Saddam ermordet, genauso wie mein Vater in der Mitte. Meine zwei Onkel wurden in den 90er-Jahren von Saddam ermordet. Meine Mutter ist im Jahr 2000 gestorben. Meine drei Schwestern sind noch am Leben. Sie wohnen im Ausland, zwei in Syrien und meine jüngste Schwester in Madrid.«
Mikael nickte. Idris Ghidi schenkte ihm türkischen Kaffee ein.
»Schöne Grüße von Kurdo Baksi soll ich übrigens sagen.«
Idris Ghidi nickte.
»Hat er Ihnen erklärt, was ich von Ihnen will?«
»Kurdo hat gesagt, Sie wollen mich für einen Job, aber was das sein soll, hat er nicht erzählt. Ich möchte Ihnen gleich sagen, dass ich nichts Ungesetzliches tun werde. Ich kann es mir nicht leisten, in so etwas reingezogen zu werden.«
Mikael
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