Vergebung
mittleren Alters waren. Nachdem die SMP keine Teenager zu ihren Angestellten zählte, legte sie eine Alterskurve an und strich alle Personen über 55 und unter 25. Blieben noch 103 Personen.
Sie überlegte eine Weile. Die Zeit war knapp. Vielleicht weniger als vierundzwanzig Stunden. Sie fasste einen raschen Entschluss und strich dann sämtliche Angestellten der Abteilungen Auslieferung, Annoncen, Bild, Wachdienst und Technik. Sie konzentrierte sich ganz auf die Gruppe der Journalisten und des Redaktionspersonals und erhielt so eine Liste von 48 Männern zwischen 26 und 54.
Da hörte sie plötzlich einen Schlüsselbund rasseln. Sofort schaltete sie den Palm aus und schob ihn unter die Decke zwischen ihre Oberschenkel. Ihr letztes samstägliches Mittagessen im Sahlgrenska war gekommen. Resigniert sah sie den Teller Kohl an. Nach dem Mittagessen wusste sie, dass sie jetzt erst einmal nicht mehr ungestört arbeiten konnte. Daher versteckte sie den Palm in dem Hohlraum hinter ihrem Nachttisch und wartete, während zwei Frauen aus Eritrea staubsaugten und ihr Bett machten.
Eine der Frauen hieß Sara und hatte Lisbeth in den letzten Monaten regelmäßig einzelne Marlboro Lights zugesteckt. Sie hatte ihr auch ein Feuerzeug gegeben, das Lisbeth hinter dem Nachttisch versteckte. Auch jetzt nahm sie wieder dankbar zwei Zigaretten entgegen, die sie in der Nacht am Lüftungsschacht rauchen wollte.
Erst gegen zwei Uhr nachmittags war wieder alles ruhig. Sie zückte ihren Palm und schaltete ihn ein. Eigentlich hatte sie vorgehabt, direkt zur SMP -Verwaltung zu gehen, aber dann fiel ihr ein, dass sie auch eigene Probleme hatte, um die sie sich kümmern musste. Sie ging als Erstes zur Yahoo-Group [Verrückte _Tafelrunde]. Wie sie feststellte, hatte Mikael seit drei Tagen nichts Neues mehr hinterlegt, und sie fragte sich, was er wohl gerade trieb. Das Aas ist sicher unterwegs und vergnügt sich mit irgendeiner großbusigen Blondine.
Sie ging weiter zur Yahoo-Group [Die_Ritter] und sah nach, ob Plague irgendetwas hinterlassen hatte. Das war nicht der Fall.
Danach kontrollierte sie die Festplatten von Staatsanwalt Ekström (weniger interessante Korrespondenz über den bevorstehenden Prozess) sowie von Dr. Peter Teleborian.
Jedes Mal wenn sie auf Teleborians Festplatte ging, fühlte sie sich, als würde ihre Körpertemperatur um ein paar Grade sinken.
Sie fand sein rechtspsychiatrisches Gutachten über sie, das er schon formuliert hatte, obwohl er noch keine Möglichkeit gehabt hatte, sie zu untersuchen. Sie lud sich den Bericht herunter und speicherte ihn bei [Verrückte_Tafelrunde]. Sie klickte sich auch der Reihe nach durch Teleborians Mails und hätte beinahe die Bedeutung der kurz gefassten Mail übersehen:
Samstag, 15.00 Uhr am Ring am Hauptbahnhof. / Jonas
Fuck. Jonas. Der kam in so vielen Mails an Teleborian vor. Benutzte ein Hotmail-Konto. Unidentifiziert.
Lisbeth warf einen Blick auf die Digitaluhr auf dem Nachttisch. 14:30. Sie pingte sofort Mikael Blomkvist bei ICQ an. Bekam aber keine Antwort.
Mikael Blomkvist hatte die zweihundertzwanzig fertigen Manuskriptseiten ausgedruckt. Danach schaltete er den Computer aus, griff sich einen Stift und setzte sich zum Korrigieren an Lisbeths Küchentisch.
Er war zufrieden. Aber die größte Lücke klaffte weiterhin in der Story. Wie sollte er die noch fehlenden Informationen über die Sektion beschaffen? Malin hatte recht. Er war in akuter Zeitnot.
Lisbeth Salander fluchte frustriert und versuchte Plague via ICQ zu erreichen. Er antwortete nicht. Sie warf einen Blick auf die Uhr. 14:30.
Sie setzte sich auf die Bettkante und rief die ICQ-Konten aus ihrem Gedächtnis ab. Zuerst versuchte sie es bei Henry Cortez, dann bei Malin Eriksson. Keine Antwort. Samstag. Haben alle frei. Sie warf einen Blick auf die Uhr. 14:32.
Danach versuchte sie es bei Erika Berger. Nicht zu erreichen. Ich hab ihr ja auch gesagt, dass sie nach Hause gehen soll. Verdammt. 14:33.
Sie konnte ja eine SMS an Mikael Blomkvists Handy schicken … aber das wurde abgehört. Sie biss sich auf die Unterlippe.
Schließlich griff sie in ihrer Verzweiflung zur Klingel und läutete nach einer Schwester. Es war 14:35, als sie hörte, wie der Schlüssel in die Tür gesteckt wurde und die etwa 50-jährige Schwester Agneta zu ihr hereinschaute.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Ist Dr. Jonasson in der Nähe?«
»Geht es Ihnen nicht gut?«
»Es geht mir gut. Aber ich müsste kurz etwas mit ihm besprechen.
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