Vergebung
Wenn das möglich ist.«
»Ich hab ihn gerade eben gesehen. Worum geht es denn?«
»Ich muss mit ihm reden.«
Schwester Agneta runzelte die Stirn. Die Patientin Lisbeth Salander hatte nur selten nach den Schwestern geklingelt, es sei denn, sie hatte wirklich Kopfschmerzen oder irgendein anderes akutes Problem. Sie hatte nie genörgelt und noch nie zuvor darum gebeten, mit einem bestimmten Arzt sprechen zu dürfen. Doch Schwester Agneta war durchaus aufgefallen, dass Dr. Jonasson sich viel Zeit für die verhaftete Patientin genommen hatte, die sich ansonsten ihrer Umwelt gegenüber völlig verschlossen zeigte. Vielleicht hatte er doch eine Art Kontakt zu ihr gefunden.
»Ich werde mal fragen, ob er Zeit hat«, sagte Schwester Agneta freundlich und machte die Tür zu. Und schloss ab. Es war 14:36, gerade sprang die Uhr weiter auf 14:37.
Lisbeth erhob sich von der Bettkante und ging zum Fenster. In regelmäßigen Abständen sah sie auf die Uhr. 14:39. 14:40.
Um 14:44 hörte sie Schritte im Korridor und den rasselnden Schlüsselbund des Securitas-Wachmanns. Dr. Jonasson sah sie fragend an und hielt inne, als er Lisbeth Salanders verzweifelten Blick bemerkte.
»Ist was passiert?«
»Es passiert gerade was. Haben Sie ein Handy dabei?«
»Was?«
»Ein Handy. Ich muss jemand anrufen.«
Dr. Jonasson sah zögernd zur Tür.
»Ich brauche ein Handy. Bitte!«
Er hörte die Verzweiflung in ihrer Stimme, steckte die Hand in die Innentasche seines Kittels und gab ihr sein Motorola. Lisbeth riss es ihm förmlich aus der Hand. Mikael Blomkvist konnte sie nicht anrufen, da er glaubte, vom Feind abgehört zu werden. Das Problem war, dass er ihr nie die Nummer seines anonymen blauen Ericsson T10 gegeben hatte, weil er glaubte, sie könne ihn ja doch nicht anrufen. Sie zögerte eine Zehntelsekunde, dann wählte sie Erika Bergers Handynummer. Sie hörte es dreimal klingeln, dann meldete sich Erika.
Sie saß gerade in ihrem BMW und war nur noch einen Kilometer von ihrem Haus in Saltsjöbaden entfernt, als sie einen Anruf bekam, den sie nicht erwartet hatte. Doch andererseits hatte Lisbeth Salander sie ja schon am Morgen überrascht.
»Berger.«
»Salander. Kann jetzt nichts erklären. Haben Sie die Nummer von Mikaels Handy? Dem nicht abgehörten.«
»Ja.«
»Rufen Sie ihn an. Sofort! Teleborian trifft Jonas um 15 Uhr am Ring am Hauptbahnhof.«
»Was ist …«
»Beeilen Sie sich. Teleborian. Jonas. Am Ring am Hauptbahnhof. 15 Uhr. Er hat noch eine Viertelstunde.«
Erika bremste und blieb am Straßenrand stehen. Sie zog ihr Adressbuch aus der Tasche und blätterte zu der Nummer, die Mikael ihr an jenem Abend in »Samirs Kochtopf« gegeben hatte.
Mikael Blomkvist hörte das Piepen seines Handys, stand vom Küchentisch auf und ging in Lisbeths Arbeitszimmer, wo er das Handy vom Schreibtisch nahm.
»Ja?«
»Hier ist Erika.«
»Hallo.«
»Teleborian trifft sich um 15 Uhr am Ring am Hauptbahnhof mit Jonas. Du hast noch ein paar Minuten.«
»Was? Bitte was?«
»Teleborian …«
»Ich hab’s schon gehört. Woher weißt du davon?«
»Spar dir die Diskussion und leg’nen Zahn zu, okay?«
Mikael warf einen Blick auf die Uhr. 14 Uhr 47.
»Danke. Ciao.«
Er packte seine Laptoptasche und nahm die Treppe, statt auf den Fahrstuhl zu warten. Im Laufen wählte er die Nummer von Henrys blauem T10.
»Cortez.«
»Wo bist du gerade?«
»In der Akademi-Buchhandlung.«
»Teleborian trifft sich um 15 Uhr am Ring am Hauptbahnhof mit Jonas. Ich bin auf dem Weg, aber du bist näher dran.«
»Verdammt. Schon unterwegs.«
Mikael joggte zur Götgatan und rannte, so schnell er konnte, weiter zum Slussen. Als er atemlos am Slussplan ankam, warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Monica Figuerola hatte vielleicht gar nicht so unrecht, wenn sie ihm mit Lauftraining in den Ohren lag. 14 Uhr 56. Das konnte er nicht mehr schaffen. Er hielt nach einem Taxi Ausschau.
Lisbeth gab Dr. Jonasson sein Handy zurück.
»Danke«, sagte sie.
»Teleborian?«, fragte Jonasson. Er hatte es nicht vermeiden können, den Namen aufzuschnappen.
Sie nickte und sah ihm in die Augen.
»Teleborian ist ein grauenhafter Typ. Viel schlimmer, als Sie sich vorstellen können.«
»Aber ich ahne, dass im Moment gerade etwas passiert und Sie aufgeregter sind, als ich Sie in der ganzen Zeit gesehen habe, die Sie in meiner Obhut waren. Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun.«
Lisbeth schenkte Dr. Jonasson ein schiefes Grinsen.
»Die Antwort darauf
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