Vergebung
machen. Ist irgendwas Neues passiert?«
Aber ja doch. Lisbeth Salander hat sich gemeldet und die Kontrolle über meinen Computer übernommen. Dann hat sie mich angerufen, um mir zu sagen, dass Teleborian und irgendein Jonas sich am Nachmittag am Hauptbahnhof treffen.
»Nein, nichts Neues«, sagte sie. »Aber ich hab da noch eine Idee, von der ich Ihnen gern erzählen würde.«
»Tun Sie das.«
»Was halten Sie von der Theorie, dass das hier kein Stalker ist, sondern jemand aus meinem Bekanntenkreis, der mir übel mitspielen will?«
»Wo liegt der Unterschied?«
»Ein Stalker ist eine Person, die auf mich fixiert ist. Die andere Variante ist eine Person, die sich an mir rächen oder aus persönlichen Gründen mein Leben ruinieren will.«
»Interessanter Gedanke. Wie sind Sie darauf gekommen?«
»Ich … habe heute mit jemandem über meine Situation geredet. Ich kann diese Person nicht namentlich nennen, aber sie meinte, dass die Drohungen eines echten Stalkers anders aussehen würden. Vor allem hätte ein Stalker niemals diese Mail an Eva Carlsson von der Kulturredaktion geschrieben. Das passt überhaupt nichts ins Bild, meinte sie.«
Susanne Linder nickte bedächtig.
»Da könnte was dran sein. Wissen Sie, ich habe die Mail ja eigentlich nie gelesen. Dürfte ich sie mal sehen?«
Erika holte ihren Laptop und stellte ihn auf den Küchentisch.
Monica Figuerola begleitete Mikael Blomkvist um zehn Uhr abends aus dem Polizeigebäude. Sie blieben an derselben Stelle im Kronobergspark stehen wie am Tag zuvor.
»So, da wären wir wieder. Hast du vor, jetzt zu verschwinden und zu arbeiten, oder willst du mit mir nach Hause kommen und Sex haben?«
»Tja …«
»Mikael, fühl dich nicht von mir unter Druck gesetzt. Wenn du arbeiten musst, dann sag es.«
»Hör mal, Monica, du kannst einen Menschen wirklich hochgradig süchtig machen.«
»Und du willst nicht süchtig werden. Ist es das, was du sagen wolltest?«
»Nein. Aber da ist jemand, mit dem ich heute Nacht reden muss, und das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Bis ich fertig bin, bist du schon eingeschlafen.«
Sie nickte.
»Wir sehen uns.«
Er küsste sie auf die Wange und ging zur Bushaltestelle am Fridhemsplan.
»Mikael!«, rief sie.
»Was?«
»Morgen hab ich auch frei. Komm doch zum Frühstücken vorbei, wenn du’s schaffst.«
21. Kapitel
Samstag, 4. Juni - Montag, 6. Juni
Lisbeth Salander verspürte eine Menge unheilverkündender Vibrationen, als sie den Nachrichtenchef Anders Holm von allen Seiten unter die Lupe nahm. Er war 58 Jahre alt und lag damit eigentlich außerhalb der untersuchten Gruppe, aber Lisbeth hatte ihn trotzdem ins Visier genommen, weil Erika Berger und er miteinander auf Kriegsfuß standen. Er war ein Intrigant, der Mails schrieb, um Kollegen zu diffamieren.
Lisbeth stellte fest, dass Holm Erika Berger nicht mochte und viel Zeit damit verbrachte, über ›dieses Weibsstück‹ herzuziehen. Er surfte ausschließlich auf Internetseiten, die mit seiner Arbeit zu tun hatten. Sollte er noch andere Interessen haben, verfolgte er sie zumindest in seiner Freizeit oder auf einem anderen Computer.
Sie behielt ihn als Kandidaten für die Rolle des Giftstifts im Auge, mochte aber nicht recht daran glauben. Holm schien nicht der Typ zu sein, der sich die Mühe machen würde, sich mitten in der Nacht in Erika Bergers Haus zu schleichen.
Gegen zehn machte sie eine Pause, ging in die [Verrückte _Tafelrunde] und stellte fest, dass Mikael Blomkvist noch immer nichts von sich hatte hören lassen. Sie verspürte eine gewisse Gereiztheit, fragte sich, was er wohl gerade trieb und ob er es rechtzeitig zu Teleborians Treffen geschafft hatte.
Dann ging sie wieder zurück auf den SMP -Server.
Sie widmete sich dem nächsten Namen auf ihrer Liste, Claes Lundin, 29, Redaktionssekretär in der Sportredaktion. Als sie gerade seine Mailbox geöffnet hatte, hielt sie inne und biss sich auf die Unterlippe. Sie schloss Lundin und ging stattdessen zu Erika Bergers Mails.
Sie scrollte von den jüngsten zu den älteren Mails. Ein vergleichsweise kleiner Ordner, da ihr Mailaccount erst am 2. Mai eröffnet worden war. Die allererste Mail war eine morgendliche Hausmitteilung, die von Peter Fredriksson geschickt worden war. Am ersten Tag hatten mehrere Personen gemailt, um Erika bei der SMP willkommen zu heißen.
Lisbeth las jede Mail, die Erika Berger erhalten hatte, sorgfältig durch. Sie bemerkte, dass schon vom ersten Tag an ein feindseliger
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