Vergebung
Djursholm … Sie schlug das Heft auf und begann eine Abschlussklasse nach der anderen durchzugehen.
Sie fand Erika Berger, 18 Jahre alt, mit Studentenmütze und einem sonnigen Lächeln mit Grübchen. Sie trug ein dünnes weißes Baumwollkleid und hielt einen Blumenstrauß in der Hand. Sie sah aus wie das Sinnbild des unschuldigen Teenagers mit dem Einser-Zeugnis.
Um ein Haar wäre Susanne Linder die Verbindung entgangen. Auf dem Bild der nächsten Seite hätte sie ihn nicht wiedererkannt, aber der Text ließ keinen Raum für Zweifel. Peter Fredriksson. Er war in Erika Bergers Parallelklasse gegangen. Sie sah einen dünnen Jungen mit ernster Miene, der unter der Schirmmütze hinweg in die Kamera blickte.
Sie hob den Kopf und sah ihn an.
»Sie war schon damals eine Nutte!«
»Faszinierend«, gab Susanne Linder zurück.
»Sie hat mit jedem Typen in der Schule gefickt.«
»Das bezweifle ich.«
»Sie war eine verdammte …«
»Sprich es nicht aus. Was ist passiert? Hat sie dich nicht an die Wäsche gelassen?«
»Sie hat mich wie Luft behandelt. Sie hat mich ausgelacht. Und als sie bei der SMP anfing, hat sie mich nicht mal wiedererkannt.«
»Ja, ja«, sagte Susanne Linder müde. »Du hattest sicher auch eine ganz traurige Kindheit. Können wir jetzt mal ernsthaft miteinander reden?”
»Was wollen Sie?«
»Ich bin keine Polizistin«, erklärte Susanne Linder. »Ich bin jemand, der sich um solche Typen wie dich kümmert.«
Sie wartete ab und ließ seine Fantasie arbeiten.
»Ich will wissen, ob du irgendwo Bilder von ihr ins Internet gestellt hast.«
Er schüttelte den Kopf.
»Sicher?«
Er nickte.
»Erika Berger soll selbst entscheiden, ob sie dich für deine Schikanen, Drohungen und den Hausfriedensbruch anzeigen will oder das Ganze im Guten regeln möchte.«
Er sagte nichts.
»Und sollte sie beschließen, sich nicht weiter mit dir zu befassen, dann werde ich dich im Auge behalten.«
Sie hob den Teleskop-Schlagstock.
»Wenn du irgendwann noch einmal in die Nähe von ihrem Haus gehst, ihr eine Mail schickst oder sie auf andere Weise belästigst, dann bin ich wieder hier. Ich werde dich so zusammenschlagen, dass dich deine eigene Mutter nicht wiedererkennt. Verstanden?«
Er schwieg.
»Du hast also eine Chance, Einfluss darauf zu nehmen, wie diese Geschichte ausgeht. Bist du daran interessiert?«
Er nickte langsam.
»Dann werde ich Erika Berger empfehlen, dich laufen zu lassen. In die Arbeit brauchst du gar nicht mehr zu kommen. Du bist mit sofortiger Wirkung entlassen.«
Er nickte.
»Du verschwindest aus ihrem Leben und aus Stockholm. Ich scheiß drauf, was du machst und wo du hingehst. Such dir einen Job in Göteborg oder Malmö. Lass dich wieder krankschreiben. Tu, was du willst. Aber lass Erika Berger in Frieden.«
Er nickte wieder.
»Sind wir uns einig?«
Plötzlich brach Peter Fredriksson in Tränen aus.
»Ich hab es nicht böse gemeint«, schluchzte er. »Ich wollte doch nur …«
»Du wolltest ihr nur das Leben zur Hölle machen, und das ist dir gelungen. Habe ich dein Wort?«
Ein letztes Mal nickte er.
Daraufhin beugte sie sich vor, drehte ihn auf den Bauch und schloss die Handschellen auf. Die Konsum-Tüte, in der Erika Bergers Leben steckte, nahm sie mit und ließ ihn auf dem Boden liegen.
Am Montagmorgen um halb drei ging Susanne Linder bei Fredriksson aus der Haustür. Sie überlegte, ob sie die Sache bis zum nächsten Tag ruhen lassen sollte, aber dann ging ihr auf, dass sie selbst noch in der Nacht hätte Bescheid wissen wollen, wenn es sie betroffen hätte. Außerdem stand ihr Auto immer noch in Saltsjöbaden. Sie rief sich ein Taxi.
Greger Backman öffnete, bevor sie die Klingel drücken konnte. Er hatte eine Jeans an und wirkte hellwach.
»Ist Erika wach?«, wollte Susanne Linder wissen.
Er nickte.
»Ist wieder was passiert?«, fragte er.
Sie nickte und lächelte ihn an.
»Kommen Sie rein. Wir sitzen gerade in der Küche und reden.«
Sie gingen ins Haus.
»Hallo, Frau Berger«, grüßte Susanne Linder. »Sie müssen aber wirklich lernen, ab und zu mal zu schlafen.«
»Was ist passiert?«
Sie streckte ihr die Konsum-Tüte entgegen.
»Peter Fredriksson hat versprochen, Sie in Zukunft in Frieden zu lassen. Der Teufel weiß, ob man ihm vertrauen kann, aber wenn er sein Wort hält, ist das Ganze schmerzloser als eine langwierige juristische Auseinandersetzung. Das entscheiden Sie selbst.«
»Er war es also?«
Susanne Linder nickte. Greger Backman servierte
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