Vergebung
gerade eingetroffen. Er bemerkte ihren Blick und nickte ihr zu.
Sie nickte zurück.
Holm war ein Widerling, aber nach ihrem Zusammenstoß vor ein paar Wochen hatte er endlich aufgehört, Schwierigkeiten zu machen. Wenn er weiterhin so eine positive Einstellung an den Tag legte, würde er vielleicht als Nachrichtenchef überleben. Vielleicht.
Sie spürte jetzt ganz genau, dass sie das Ruder bei der SMP herumreißen konnte.
Um 8 Uhr 45 sah sie Borgsjö aus dem Lift kommen. Ich muss noch heute mit ihm reden.
Sie holte sich einen Kaffee und las erst einmal die morgendliche Hausmitteilung. Es war ein nachrichtenarmer Morgen. Der einzige Artikel von Interesse war die Nachricht, dass Lisbeth Salander am Sonntag ins Untersuchungsgefängnis gebracht worden war. Sie genehmigte die Story und mailte sie an Anders Holm.
Um 8 Uhr 59 rief Borgsjö sie an.
»Berger, kommen Sie sofort zu mir ins Büro!«
Dann legte er wieder auf.
Als sie eintrat, war Borgsjö ganz weiß im Gesicht. Er stand auf, drehte sich zu ihr um und donnerte einen Papierstapel auf den Schreibtisch.
»Was zum Teufel ist das hier?«, brüllte er sie an.
Erika Berger sank das Herz in die Hose. Sie musste nur einen Blick auf den Umschlag werfen, um zu wissen, was Borgsjö in seiner morgendlichen Post gefunden hatte.
Mit den Bildern hatte Fredriksson nichts mehr anstellen können. Aber Henry Cortez’ Story hatte er noch an Borgsjö geschickt.
Sie setzte sich ruhig vor ihn hin.
»Das ist ein Artikel des Reporters Henry Cortez, den die Zeitschrift Millennium eigentlich in der Nummer bringen wollte, die letzte Woche erschienen ist.«
Borgsjö sah verzweifelt aus.
»Wie können Sie es wagen? Ich habe Sie zur SMP geholt, und als Erstes zetteln Sie eine Intrige gegen mich an. Was sind Sie nur für eine Mediennutte?«
Ihre Augen verengten sich, und sie wurde eiskalt. Von dem Wort »Nutte« hatte sie vorerst genug.
»Glauben Sie wirklich, dass das irgendjemand interessieren wird? Glauben Sie, dass Sie mich durch dieses boshafte Gerede zu Fall bringen können? Oder warum zur Hölle schicken Sie mir das anonym zu?«
»So war es nicht!«
»Dann erzählen Sie mir, wie es war.«
»Fredriksson hat Ihnen diesen Ordner anonym zugeschickt. Er ist gestern gefeuert worden.«
»Wovon reden Sie da?«
»Das ist eine lange Geschichte. Aber ich kenne diesen Artikel schon seit zwei Wochen und habe lange darüber nachgedacht, wie ich es anstellen soll, mit Ihnen darüber zu reden.«
»Hinter diesem Artikel stecken doch Sie!«
»Nein, dahinter stecke nicht ich. Cortez hat den Text recherchiert und geschrieben. Ich hatte keine Ahnung davon.«
»Und das soll ich Ihnen glauben?«
»Als meine Kollegen bei Millennium sahen, dass Sie in diese Story verstrickt sind, hat Blomkvist die Veröffentlichung aufgeschoben. Er hat mich angerufen und mir eine Kopie gegeben. Das ist aus Rücksicht auf mich geschehen. Dann wurde mir der Ordner gestohlen, und jetzt ist er bei Ihnen gelandet. Millennium wollte mir eine Chance geben, zuerst mit Ihnen zu reden, bevor sie damit an die Öffentlichkeit gehen. Was sie mit dem Augustheft vorhaben.«
»Ich habe noch nie einen gewissenloseren Journalisten getroffen. Sie schießen wirklich den Vogel ab.«
»Jetzt, wo Sie die Reportage gelesen haben, können Sie sich ja auch die Unterlagen der Hintergrundrecherche ansehen. Cortez hat da eine völlig wasserdichte Story. Und das wissen Sie auch.«
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Wenn Sie noch Aufsichtsratsvorsitzender sind, wenn Millennium hiermit in Druck geht, dann wird das der SMP schaden. Ich habe mir den Kopf zerbrochen und versucht, einen Ausweg zu finden, aber ich sehe keinen.«
»Was meinen Sie denn damit?«
»Sie müssen gehen.«
»Machen Sie Witze? Ich habe überhaupt nichts Illegales getan.«
»Ist Ihnen die Tragweite dieser Enthüllungen immer noch nicht klar? Ersparen Sie es mir, den Aufsichtsrat einzuberufen. Das würde nur entsetzlich peinlich für Sie werden.«
»Sie werden überhaupt nichts einberufen. Ihre Tage bei der SMP sind gezählt.«
»Sorry. Feuern kann mich nur der Aufsichtsrat. Sie können ihn ja zu einer außerordentlichen Versammlung einberufen. Wie wäre es mit heute Nachmittag?«
Borgsjö kam um seinen Schreibtisch herum und stellte sich so nah vor Erika Berger, dass sie seinen Atem spürte.
»Berger … Sie haben eine Chance, das hier zu überleben. Sie gehen zu Ihren verdammten Freunden von Millennium und sorgen dafür, dass diese Geschichte nie
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