Vergebung
Nachrichtenchef von TV4 hatten erkannt, was für eine Riesenstory dahintersteckte. Der Beitrag wurde unter allergrößter Geheimhaltung produziert, mit so wenig Beteiligten wie möglich. Sie hatten auch Mikaels Forderung akzeptiert, dass er erst am Abend des dritten Verhandlungstags gesendet werden durfte. Man hatte sich entschieden, den Beitrag in Form einer einstündigen Sondernachrichtensendung auszustrahlen.
Mikael hatte ihr schon eine ganze Reihe von Fotos gegeben, aber bewegte Bilder waren im Fernsehen doch unschlagbar. Ein gestochen scharfes Video, das zeigt, wie ein namentlich genannter Polizist Kokain in Mikael Blomkvists Wohnung versteckt - darüber geriet die Redakteurin von TV4 einfach restlos aus dem Häuschen.
»Was für eine Enthüllung!«, sagte sie. »Eingeblendetes Bild - Hier versteckt die SiPo gerade Kokain in der Wohnung des Reporters .«
»Nicht die SiPo … die Sektion«, korrigierte Mikael. »Mach nicht den Fehler, die beiden zu vermischen.«
»Sandberg arbeitet aber doch für die SiPo«, protestierte sie.
»Ja, aber man muss ihn praktisch als eingeschleusten Mitarbeiter betrachten. Bitte unterscheide da immer ganz genau.«
»Okay. Die Sektion ist die eigentliche Story. Nicht die SiPo. Mikael, kannst du mir eigentlich mal erklären, wie du immer an solche Sachen rankommst? Du hast recht. Das wird noch größer als die Wennerström-Affäre.«
»Reines Talent, nehme ich mal an. Absurderweise beginnt diese Story ja auch mit einer Wennerström-Affäre. Der Spionageaffäre mit Oberst Wennerström aus den 60er-Jahren meine ich natürlich.«
Um vier Uhr nachmittags rief Erika Berger an. Sie war gerade bei einem Treffen von Zeitungsverlegern, um ihre Sicht des geplanten Personalabbaus bei der SMP darzustellen, der nach ihrer Kündigung einen heftigen gewerkschaftlichen Konflikt heraufbeschworen hatte. Sie kündigte Mikael an, dass sie erst später zu ihrem Abendessen in »Samirs Kochtopf« kommen würde, wahrscheinlich nicht vor halb sieben.
In dem Ruheraum, der Clintons Kommandozentrale im Hauptquartier der Sektion war, half Jonas Sandberg Fredrik Clinton, sich aus dem Rollstuhl auf die Pritsche zu hieven. Clinton war gerade erst von seiner Dialyse zurückgekommen, die den ganzen Vormittag gedauert hatte. Er fühlte sich uralt und unendlich müde. In den letzten Tagen hatte er kaum geschlafen und wünschte sich nur noch, dass alles bald vorbei sein möge. Gerade hatte er sich im Bett zurechtgesetzt, da kam Georg Nyström dazu.
Clinton sammelte noch einmal seine Kräfte zusammen.
»Alles bereit?«, erkundigte er sich.
Nyström nickte.
»Ich habe mich gerade mit den Brüdern Nikolić getroffen«, berichtete er. »50 000 wird es kosten.«
»Das können wir uns leisten«, meinte Clinton.
Verdammt, wenn man doch noch einmal jung sein könnte.
Er wandte den Kopf und musterte erst Georg Nyström und dann Jonas Sandberg.
»Keine Gewissenskonflikte?«, fragte er.
Beide schüttelten den Kopf.
»Wann?«, wollte Clinton wissen.
»In den nächsten vierundzwanzig Stunden«, antwortete Nyström. »Es ist eben verdammt schwierig, Blomkvist ausfindig zu machen, aber notfalls machen sie es auch außerhalb der Redaktion.«
Clinton nickte.
»Heute Abend haben wir schon eine Möglichkeit … in zwei Stunden«, erklärte Sandberg.
»Ach ja?«
»Erika Berger hat ihn vor einer Stunde angerufen. Sie wollen heute Abend zusammen in ›Samirs Kochtopf‹ essen. Das ist ein Lokal in der Nähe der Bellmansgatan.«
»Berger …«, sagte Clinton zögernd.
»Um Himmels willen, ich hoffe doch, dass sie nicht auch …«, begann Georg Nyström.
»Das wäre gar nicht mal schlecht«, unterbrach Jonas Sandberg.
Clinton und Nyström sahen ihn an.
»Wir sind uns doch einig, dass Blomkvist die größte Bedrohung für uns bedeutet und es wahrscheinlich ist, dass er im nächsten Millennium -Heft etwas veröffentlichen wird. Davon können wir ihn nicht abhalten. Also müssen wir seine Glaubwürdigkeit erschüttern. Wenn er in einer scheinbaren Abrechnung der Unterwelt ermordet wird und die Polizei danach Rauschgift und Geld in seiner Wohnung findet, werden die Ermittler gewisse Schlussfolgerungen ziehen. Auf jeden Fall werden sie nicht als Erstes nach Verschwörungen bei der Sicherheitspolizei suchen.«
Clinton nickte.
»Berger ist ja Blomkvists Liebhaberin«, erklärte Sandberg nachdrücklich. »Sie ist verheiratet und untreu. Wenn auch sie plötzlich ums Leben kommt, wird das eine Menge anderer Spekulationen
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