Vergebung
Sie doch auf mit dem Unsinn und legen Sie sich endlich zu Mikael«, sagte Erika.
Monica Figuerola sah sie an.
»War es so offensichtlich?«, fragte sie.
Erika nickte.
»Hat Mikael was gesagt …«
»Keinen Ton. Er ist immer ziemlich diskret, wenn es um seine Damenbekanntschaften geht. Aber manchmal ist er wie ein offenes Buch. Und Sie wirken so feindselig, wenn Sie mich anschauen. Sie versuchen etwas zu verbergen.«
»Es ist wegen meinem Chef«, erklärte Monica.
»Wegen ihrem Chef?«
»Ja. Edklinth würde die Wände hochgehen, wenn er wüsste, dass Mikael und ich …«
»Versteh schon.«
Schweigen.
»Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen und Mikael läuft, aber ich bin auf jeden Fall nicht Ihre Rivalin«, stellte Erika fest.
»Nein?«
»Mikael ist gelegentlich mein Liebhaber. Aber ich bin nicht mit ihm verheiratet.«
»Ich habe schon mitbekommen, dass Sie ein ganz besonderes Verhältnis haben. Er hat mir von Ihnen erzählt, als wir draußen in Sandhamn waren.«
»Sie waren mit ihm in Sandhamn? Dann ist es ernst.«
»Ziehen Sie mich nicht auf.«
»Monica … ich hoffe, dass Mikael und Sie … Ich werde versuchen, niemand in die Quere zu kommen.«
»Und wenn Sie das nicht können?«
Erika Berger zuckte die Achseln.
»Seine Exfrau ist total ausgeflippt, als Mikael sie mit mir betrogen hat. Sie hat ihn rausgeschmissen, das war meine Schuld. Solange Mikael Single ist, habe ich nicht vor, mich mit Gewissensbissen zu quälen. Aber ich habe mir geschworen, dass ich auf Abstand bleibe, wenn er mit irgendjemand ernsthaft was anfängt.«
»Ich weiß nicht, ob ich es wagen soll, auf ihn zu setzen.«
»Mikael ist sehr eigen. Sind Sie verliebt in ihn?«
»Ich glaube schon.«
»Ja, dann … Haken Sie ihn nicht zu früh ab. Und jetzt gehen Sie schlafen.«
Monica dachte kurz über die Sache nach. Dann ging sie in den ersten Stock, zog sich aus und schlüpfte neben Mikael ins Bett. Er murmelte irgendetwas und legte ihr einen Arm um die Taille.
Erika Berger blieb allein in der Küche sitzen und dachte nach. Auf einmal fühlte sie sich todunglücklich.
25. Kapitel
Mittwoch, 13. Juli - Donnerstag, 14. Juli
Mikael Blomkvist hatte sich schon immer gefragt, warum die Lautsprecher in den Gerichten grundsätzlich so leise und diskret waren. Er konnte die Worte kaum hören, als mitgeteilt wurde, dass die Verhandlung in Sachen Lisbeth Salander um 10 Uhr in Saal 5 beginnen würde. Doch er war rechtzeitig dort und hatte sich in der Nähe des Eingangs hingesetzt. Er war einer der Ersten, die eingelassen wurden. Er setzte sich auf einen Zuschauerplatz auf der linken Seite des Saales, wo er den Tisch der Verteidigung gut im Blick hatte. Die Zuschauerplätze füllten sich schnell. Das Medieninteresse war in letzter Zeit immer weiter gestiegen, und in der letzten Woche war Richard Ekström täglich interviewt worden.
Der Staatsanwalt war sehr fleißig gewesen.
Lisbeth Salander wurde in folgenden Punkten angeklagt: Wegen schwerer Körperverletzung gegen Carl-Magnus Lundin, wegen Bedrohung, Mordversuchs und schwerer Körperverletzung gegen den verstorbenen Karl Axel Bodin alias Alexander Zalatschenko, wegen Einbruchs in zwei Fällen - einmal in das Sommerhaus des verstorbenen Anwalts Nils Bjurman in Stallarholmen, einmal in dessen Wohnung am Odenplan -, außerdem wegen Diebstahls eines Fluchtfahrzeugs - eine Harley-Davidson, die einem gewissen Sonny Nieminen gehörte -, wegen unerlaubten Waffenbesitzes in drei Fällen - eine Tränengaspatrone, eine Elektroschockpistole und eine polnische P-83 Wanad, die in Gosseberga aufgefunden worden war -, wegen Diebstahls oder Unterschlagung von Beweismaterial - die Formulierung war hier unklar, gemeint waren jedoch die Beweise, die sie in Bjurmans Sommerhütte gefunden hatte -, und wegen einer Reihe kleinerer Delikte. Insgesamt umfasste die Anklageschrift sechzehn Punkte.
Ekström hatte offenbar durchsickern lassen, dass Salanders geistiger Zustand so einiges zu wünschen übrig lasse. Er berief sich teils auf die rechtspsychiatrische Untersuchung von Dr. Jesper H. Löderman, die an ihrem 18. Geburtstag durchgeführt worden war, teils auf ein Gutachten, das auf Anordnung des Gerichts von Dr. Peter Teleborian abgefasst worden war. Da das gestörte Mädchen sich standhaft weigerte, mit Pschiatern zu sprechen, hatte sich die Analyse auf »Beobachtungen« stützen müssen, die man gemacht hatte, seit sie vor einem Monat im Untersuchungsgefängnis in Stockholm einquartiert worden war.
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