Vergebung
Mandantin die Verantwortung oder jegliche verbrecherische Absicht von sich. Wir werden nachweisen, dass die Behauptungen der Anklage falsch sind und meine Mandantin einem schweren Übergriff von staatlicher Seite ausgesetzt war. Ich werde beantragen, dass meine Mandantin für unschuldig und voll geschäftsfähig erklärt und aus der Haft entlassen wird.«
Man hörte die Notizblöcke der Reporter rascheln. Endlich hatte Anwältin Giannini ihre Strategie kundgetan. Wenn auch nicht die, die sich die Reporter erwartet hatten. Die meisten hatten getippt, dass Annika Giannini sich auf die psychische Krankheit ihrer Mandantin berufen und sie zu ihrem Vorteil nutzen würde. Plötzlich musste Mikael grinsen.
»Aha«, sagte Richter Iversen und machte sich eine Notiz. Er sah Annika Giannini an. »Sind Sie fertig?«
»Das ist meine Erklärung zur Anklageschrift.«
»Hat die Anklage noch etwas hinzuzufügen?«, erkundigte sich Iversen.
In diesem Moment beantragte Ekström, dass die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden solle. Er berief sich darauf, dass es hier um den psychischen Zustand und das Wohlbefinden eines gefährdeten Menschen ginge, aber auch um Details, die von Nachteil für die Reichssicherheit sein könnten.
»Ich nehme an, Sie heben auf die sogenannte Zalatschenko-Affäre ab«, sagte Iversen.
»Genau. Alexander Zalatschenko ist als politischer Flüchtling nach Schweden gekommen und hat bei uns Schutz vor einer schrecklichen Diktatur gesucht. Obwohl Herr Zalatschenko mittlerweile verstorben ist, unterliegt dieser Vorgang in Teilen immer noch der Geheimhaltung. Daher beantrage ich, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten wird und dass für die besonders heiklen Abschnitte der Verhandlung Schweigepflicht gelten soll.«
»Verstehe«, sagte Iversen und legte die Stirn in tiefe Falten.
»Außerdem wird sich ein Großteil der Verhandlung um die Frage der rechtlichen Betreuung der Angeklagten drehen. Schon aus Mitleid mit der Angeklagten wünsche ich mir bei dieser Verhandlung den Ausschluss der Öffentlichkeit.«
»Wie steht die Verteidigerin Giannini zum Antrag des Staatsanwalts?«
»Meiner Mandantin und mir ist das ganz gleichgültig.«
Richter Iversen überlegte kurz. Dann konsultierte er seinen Beisitzer und verkündete zum Ärger der anwesenden Reporter, dass er dem Antrag des Staatsanwalts stattgebe. Mikael Blomkvist verließ den Saal.
Dragan Armanskij erwartete Mikael Blomkvist unten an der Treppe des Gerichtsgebäudes. Es war glühend heiß in der Julisonne, und Mikael merkte, wie sich sofort zwei Schweißflecken unter seinen Armen bildeten. Seine beiden Bodyguards folgten ihm, als er aus dem Gebäude trat. Sie nickten Dragan Armanskij kurz zu und ließen dann ihre Blicke über die Umgebung schweifen.
»Fühlt sich komisch an, mit Leibwächtern rumzulaufen«, meinte Mikael. »Was wird das hier eigentlich alles kosten?«
»Das geht aufs Haus«, erwiderte Armanskij. »Ich habe ein persönliches Interesse daran, dass Sie am Leben bleiben. Aber in den letzten Monaten haben wir ungefähr 250 000 Kronen pro bono ausgelegt.«
Mikael nickte.
»Kaffee?«, fragte er dann und zeigte auf das italienische Café an der Bergsgatan.
Armanskij nickte. Mikael bestellte einen Caffè Latte, während Armanskij sich für einen doppelten Espresso mit einem Teelöffel Milch entschied. Die Bodyguards setzten sich an den Nebentisch. Sie tranken Cola.
»Ausschluss der Öffentlichkeit …«, brummte Armanskij.
»Das war zu erwarten. Und das ist nur gut so, denn so können wir den Nachrichtenfluss viel besser steuern.«
»Ja, im Grunde ist es auch egal, aber dieser Staatsanwalt wird mir immer unsympathischer.«
Mikael stimmte ihm zu. Sie tranken ihren Kaffee und sahen zum Gerichtsgebäude hinüber, in dem über Lisbeth Salanders Zukunft entschieden werden würde.
»Ihre letzte Schlacht«, kommentierte Mikael.
»Sie ist gut vorbereitet«, tröstete ihn Armanskij. »Und ich muss sagen, Ihre Schwester imponiert mir wirklich sehr. Als sie ihre Strategie verkündete, dachte ich ja erst, sie macht Witze, aber je länger ich darüber nachdenke, umso vernünftiger kommt sie mir vor.«
»Dieser Prozess wird aber nicht da drinnen entschieden«, bemerkte Mikael.
Seit Monaten hatte er diese Worte immer wieder wie ein Mantra wiederholt.
»Sie werden als Zeuge aufgerufen werden«, sagte Armanskij.
»Ich weiß. Ich bin vorbereitet. Aber das passiert nicht vor übermorgen.
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