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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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manchmal belegte Brote rein. Besonders ein Pfleger war da, der mir spätnachts immer was zu essen brachte. Das ist mehrmals vorgekommen.«
    »Sie wollen damit sagen, dass das Pflegepersonal in St. Stefan sah, dass Sie Hunger hatten, und Ihnen Essen mitbrachte, damit Sie nicht hungern mussten?«
    »Ja.«
    »Es hatte also nichts damit zu tun, dass Sie nicht essen wollten?«
    »Nein. Ich hatte oft Hunger.«
    »Trifft die Feststellung zu, dass ein Konflikt zwischen Ihnen und Dr. Teleborian entstand?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Sie sind in St. Stefan gelandet, weil Sie Ihren Vater mit Benzin übergossen und angezündet hatten.«
    »Ja.«
    »Warum haben Sie das getan?«
    »Weil er meine Mutter misshandelt hat.«
    »Haben Sie das jemand so erklärt?«
    »Ja.«
    »Wem?«
    »Wem?«
     
    »Ich habe es den Polizisten gesagt, die mich verhört haben, dem Sozialamt, dem Jugendamt, den Ärzten, einem Pfarrer und dem Schwein auch.«
    »Mit dem Schwein meinen Sie …?«
    »Den da.«
    Sie zeigte auf Dr. Peter Teleborian.
    »Warum nennen Sie ihn ein Schwein?«
    »Als ich zum ersten Mal nach St. Stefan kam, versuchte ich ihm zu erklären, was passiert war.«
    »Und was hat Dr. Teleborian gesagt?«
    »Er wollte mir gar nicht zuhören. Er behauptete, ich fantasiere nur. Und zur Strafe sollte ich ans Bett geschnallt werden, bis ich aufhörte zu fantasieren. Und dann versuchte er, mir mit Gewalt Psychopharmaka zu verabreichen.«
    »Das ist doch alles Unfug«, mischte Dr. Teleborian sich ein.
    »Und deswegen reden Sie auch nicht mehr mit ihm?«
    »Seit der Nacht, in der ich 13 geworden bin, habe ich kein Wort mehr mit ihm geredet. Damals lag ich auch fixiert auf dem Stahlbett. Das war das Geburtstagsgeschenk, das ich mir selbst gemacht habe.«
    Annika Giannini wandte sich wieder an Teleborian.
    »Dr. Teleborian, das hört sich ja ganz so an, als hätte meine Mandantin das Essen nur deswegen verweigert, weil sie nicht zulassen wollte, dass Sie ihr Psychopharmaka verabreichten.«
    »Es ist möglich, dass sie das so sieht.«
    »Und wie sehen Sie es?«
    »Sie war eine extrem schwierige Patientin. Ich behaupte, ihr Verhalten ließ vermuten, dass sie eine Gefahr für sich selbst war, aber das mag Interpretationssache sein. Sie war jedoch auf jeden Fall gewalttätig und zeigte psychotische Züge. Es kann gar keinen Zweifel daran geben, dass sie eine Gefahr für ihre Umwelt darstellte. Sie ist ja in der Tat nach St. Stefan gekommen, weil sie versucht hatte, ihren Vater zu ermorden.«
    »Dazu kommen wir noch. Sie waren zwei Jahre lang für ihre Behandlung verantwortlich. In dieser Zeit fesselten Sie sie an 381 Tagen an ein Stahlbett. Kann es sein, dass Sie die Fixierung als Bestrafungsmethode angewandt haben, wenn meine Mandantin nicht tat, was Sie ihr sagten?«
    »Das ist schlichtweg Nonsens.«
    »Ach ja? Ich stellte fest, dass laut Krankenakte der Großteil dieser Fesselungen im ersten Jahr geschah … in 320 von 381 Fällen. Warum hörte das dann auf?«
    »Die Patientin entwickelte sich und wurde insgesamt zugänglicher.«
    »War es nicht vielmehr so, dass Ihre Maßnahmen vom restlichen Personal als unnötig brutal eingestuft wurden?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »War es nicht so, dass das Personal protestierte, unter anderem gegen die Zwangsernährung von Lisbeth?«
    »Man kann natürlich zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Das ist nichts Ungewöhnliches. Aber die Zwangsernährung wurde zunehmend zur Belastung, weil sie gewalttätigen Widerstand leistete …«
    »Weil sie sich weigerte, Psychopharmaka einzunehmen, die sie stumpf und passiv machten. Sie hatte kein Problem mit dem Essen, wenn man ihr damit keine Medikamente verabreichte. Wäre es da nicht eine angemessenere Behandlungsmethode gewesen, von Zwangsmaßnahmen erst einmal Abstand zu nehmen?«
    »Mit Verlaub, Frau Giannini. Ich bin Arzt. Ich habe den Verdacht, dass meine medizinische Kompetenz ein klein wenig höher ist als Ihre. Es ist meine Aufgabe, zu beurteilen, welche medizinischen Maßnahmen zu ergreifen sind.«
    »Es ist richtig, dass ich keine Ärztin bin, Dr. Teleborian. Ich bin jedoch tatsächlich nicht ganz ohne Kompetenz. Neben meinem Titel als Rechtsanwältin führe ich nämlich auch den einer ausgebildeten Psychologin der Universität Stockholm. Das sind für meinen Beruf nicht ganz unnütze Kenntnisse.«
    Im Gerichtssaal hätte man eine Stecknadel fallen hören. Sowohl Ekström als auch Teleborian starrten Annika Giannini verblüfft an. Sie fuhr

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