Vergebung
Behauptung zu bleiben, dass Lisbeth Salander wirklich geisteskrank ist und dass die Zwangseinweisung 1991 ihre Berechtigung hatte.«
Sonja Modig nickte.
»Ich werde alles tun, um derartige Pläne zu durchkreuzen. Meiner Meinung nach ist Lisbeth Salander genauso zurechnungsfähig wie Sie und ich. Eigenartig ist sie, das schon, aber ihre geistigen Fähigkeiten stehen völlig außer Frage.«
Sonja Modig nickte wieder. Mikael machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen.
»Ich bräuchte einen Insider, dem ich vertrauen kann«, begann er.
Sie sah ihn an.
»Ich habe nicht die Kompetenz, zu entscheiden, ob Lisbeth Salander geisteskrank ist«, erwiderte sie.
»Nein, aber Sie haben die Kompetenz, zu beurteilen, ob sie einem Übergriff seitens der Justiz ausgesetzt wird oder nicht.«
»Was schlagen Sie vor?«
»Ich sagte nicht, dass Sie Ihre Kollegen verpfeifen sollen, aber ich will, dass Sie mir entsprechende Informationen geben, wenn Sie entdecken, dass Lisbeth neuerlichen Übergriffen ausgesetzt wird.«
Sonja Modig schwieg.
»Ich bin nicht an ermittlungstechnischen Details interessiert. Verlassen Sie sich auf Ihr eigenes Urteil. Aber ich muss wissen, was aus der Anklage gegen Lisbeth Salander wird.«
»Klingt wie eine sichere Methode, sich eine Kündigung einzufangen.«
»Sie sind für mich nur eine Quelle. Ich werde Sie niemals namentlich nennen oder irgendwie in Schwierigkeiten bringen.«
Er riss eine Seite aus seinem Notizbuch und schrieb eine Mailadresse auf.
»Das ist eine anonyme Hotmail-Adresse. Wenn Sie etwas erzählen wollen, können Sie mir an diese Adresse schreiben. Ihre normale Mailadresse dürfen Sie dabei natürlich nicht benutzen. Sie sollten sich vorübergehend ein Konto bei Hotmail einrichten.«
Sie nahm die Adresse entgegen und steckte sie in die Innentasche ihrer Jacke. Sie versprach nichts.
Kriminalinspektor Marcus Erlander wurde am Samstagmorgen um sieben vom Klingeln des Telefons geweckt. Er hörte Stimmen vom Fernseher und roch den Kaffeeduft aus der Küche, für den seine Frau verantwortlich war. Er war um ein Uhr nachts in seine Wohnung in Mölndal zurückgekehrt und hatte knapp fünf Stunden geschlafen. Vorher war er fast zweiundzwanzig Stunden lang auf den Beinen gewesen, sodass er alles andere als ausgeschlafen war, als er seine Hand nach dem Telefonhörer ausstreckte.
»Mårtensson, Fahndung, Nachtdienst. Sind Sie schon auf?«
»Nein«, gab Erlander zurück. »Ich war noch nicht mal richtig eingeschlafen. Was ist denn passiert?«
»Neuigkeiten. Anita Kaspersson ist aufgetaucht.«
»Wo?«
»In der Nähe von Seglora, südlich von Borås.«
Erlander versuchte sich die Landkarte vor Augen zu führen.
»Richtung Süden«, sagte er. »Er nimmt also den Weg über die kleinen Landstraßen. Er muss die I80 über Borås genommen haben und dann Richtung Süden gefahren sein. Haben wir Malmö schon alarmiert?«
»Ja, und natürlich auch Helsingborg, Landskrona, Trelleborg und Karlskrona. Ich dachte an die Fähre in Richtung Süden.«
Erlander stand auf und rieb sich den Nacken.
»Er hat mittlerweile fast einen ganzen Tag Vorsprung. Er könnte auch schon außer Landes sein. Wie hat man Anita Kaspersson gefunden?«
»Sie klopfte an die Tür eines Einfamilienhauses in der Nähe von Seglora.«
»Was?«
»Sie klopfte …«
»Ich hab schon verstanden. Sie ist also am Leben?«
»Entschuldigung. Ich bin so müde und drücke mich nicht mehr ganz so konzentriert aus. Anita Kaspersson trat um 3 Uhr 10 gegen die Tür eines Einfamilienhauses, wo sie eine Familie mit Kindern aufscheuchte, die schlafend in ihren Betten lagen. Sie war barfuß und schwer unterkühlt. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Im Moment ist sie im Krankenhaus in Borås, wo inzwischen auch ihr Mann eingetroffen ist.«
»Irgendwie sind wir alle davon ausgegangen, dass sie nicht mehr am Leben ist.«
»Manchmal erlebt man so seine Überraschungen.«
»Positive Überraschungen.«
»Dann ist jetzt wohl der richtige Moment für die schlechten Neuigkeiten gekommen. Die stellvertretende Polizeipräsidentin Spångberg ist seit heute Morgen um fünf hier. Sie hat angeordnet, dass Sie so schnell wie möglich aufstehen und nach Borås fahren sollen, um Kaspersson zu verhören.«
Da es Samstagmorgen war, erwartete Mikael nicht, in der Millennium -Redaktion jemanden anzutreffen. Er rief Christer Malm an, als der X2000 gerade die Årsta-Brücke überquerte, und fragte ihn nach dem Grund für seine
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