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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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Gudbergsen ermordet zu haben. Die
Sache sei jedoch die, fügte Albæk schnell mit einem unterdrückten Lachen hinzu,
dass der Kugelblitz über die Jahre diverse Morde zugegeben habe, ohne dass
jemals etwas daran gewesen sei. Rebekka seufzte tief. Die Polizei hatte
regelmäßig mit falschen Geständnissen zu tun, nicht zuletzt bei Fällen wie
diesem, der die breite Öffentlichkeit bewegte. Albæk erklärte, dass der
Kugelblitz sich dem Rentenalter nähere, und sie vereinbarten, dass er dem alten
Mann eine Tasse Kaffee geben und der Ordnung halber einen Bericht schreiben
solle.
    »Übrigens, Albæk«, Rebekka strich sich nachdenklich über den
Nasenrücken, »erinnern Sie sich an einen Fall vor ungefähr dreiundzwanzig,
vierundzwanzig Jahren? An den Mord an einer jungen Frau, die Lene hieß. Lene
Eriksen?«
    Albæk stöhnte in den Hörer, und Rebekka konnte ihn vor sich sehen,
mit seinem Vollbart und dem dicken Bauch, der in einen bordeauxfarbenen
Pringle-Pullover gezwängt war.
    »Ja, sicher«, murmelte er, »natürlich erinnere ich mich an den Fall
Lene Eriksen. Den Mord hat der Kugelblitz übrigens auch gestanden. Der Mord
wurde leider nie aufgeklärt. Wenn Sie mehr über den Fall wissen wollen, müssen
Sie runter in den Keller und im Archiv wühlen, das war ja lange vor der Zeit
der modernen Technologie. Ihr Auto ist übrigens gebracht worden. Es steht in
der Garage.«
    Rebekka bedankte sich und warf einen schnellen Blick auf ihre
Armbanduhr. Es war kurz vor zehn, sie wollte sich um elf mit Michael treffen,
um zusammen mit ihm nach Søndervig zu Sanna Gudbergsens Ferienhaus zu fahren.
Sie zog einen Pullover an und ging die breite Treppe hinunter. Obwohl es
Samstagmorgen war, wimmelte es nur so von Polizisten. Aus den Bruchstücken der
Unterhaltungen hörte sie, dass sie Anna Jelager nicht gefunden hatten, als sie
draußen bei Tipperne den Meeresboden mit Schleppnetzen abgesucht hatten. Sie
ging zu Albæk, der ihr den Schlüssel gab, dann stieg sie die schmale
Kellertreppe hinunter.
    Der Keller war riesig, mit langen, schmalen Gängen, von denen eine
Reihe von Räumen abging: ein Trainingsraum, ein Zimmer mit Ausrüstung für
Großeinsätze, ein Elektroraum, ein Luftschutzraum aus der Kriegszeit. Und am
Ende des Gangs war ein großes Archiv mit sämtlichen Akten der Fälle, mit denen
sich die Polizei in den letzten hundert Jahren beschäftigt hatte. Rebekka
drückte auf den Lichtschalter, die Neonröhren gaben einen brummenden Laut von
sich und erwachten flackernd zum Leben. Sie trat an ein Regal, in dem die
schmalen braunen Akten in einer ordentlichen Reihe standen, nur hin und wieder
unterbrochen von versiegelten Kartons mit Beweismaterial. Rebekka ging zu dem
Regal mit dem Buchstaben E und fuhr mit dem Zeigefinger langsam über die Akten,
bis sie endlich bei »Eriksen, Lene« angekommen war. Sie zog die Akte heraus und
wischte vorsichtig den Staub ab. Die Staubkörner tanzten in der Luft, kitzelten
in der Nase und sie unterdrückte ein Niesen. Einen Moment stand sie unentschlossen
da, bevor sie mit schnellen Schritten zum Buchstaben H ging. Ihr wurde schwarz
vor Augen, und sie musste sich einige Sekunden an dem schweren Möbel
festhalten, bevor sie mit zitternden Fingern nach dem Aktendeckel »Holm, Robin«
griff und ihn hastig zwischen die Unterlagen zum Fall Lene Eriksen stopfte.
    »Haben Sie gefunden, wonach Sie gesucht haben?«
    Rebekka zuckte mit einem erschreckten Aufschrei zusammen und drehte
sich um. In der Tür stand Albæk und sah sie fragend an. Sie schnitt halbherzig
eine Grimasse, während sie sich, die Mappe eng an sich gedrückt, an ihm
vorbeidrängte.
    »Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen«, sagte er
lachend.
    Sie antwortete nicht, lief einfach den langen Gang hinunter, während
sie ihn murmeln hörte: »Nun gut, dann schließe ich eben die Tür hinter Ihnen
ab.«
    —
    Sie piesackten ihn,
wiederholten immer wieder seinen Namen und fragten ihn, was noch schlimmer war,
nach Daten, Wochentagen und Namen von Familienmitgliedern. Er wollte ihnen
sagen, dass sie zur Hölle fahren, ihn in Frieden lassen sollten, aber sein Hals
tat so weh, dass er nicht sprechen konnte, und er wollte die Augen nicht
öffnen, die Lider blieben fest geschlossen.
    Eine Fliege summte hektisch am
Fensterrahmen. Das ging schon den ganzen Morgen so, das unerträglich laute und
beharrliche Geräusch hatte ihn geweckt, doch mit der Zeit hatte er sich daran
gewöhnt und das monotone Summen klang jetzt fast

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