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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
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Hausarzt sowie Familie und Freunde hatten über Katrine Jelager als Mutter
nur Gutes zu berichten. Sie war noch nicht befragt worden, da sie sich noch
immer in einer Art mentalem Koma befand.
    »Die arme Frau«, sagte Rebekka mitfühlend und dachte daran, was die
junge Mutter jetzt durchmachen musste. Die Statistik war eindeutig. Wenn ein verschwundenes
Kind nicht innerhalb der ersten vierundzwanzig Stunden gefunden wurde, sank die
Wahrscheinlichkeit drastisch, dass es noch am Leben war.
    Die Steaks kamen, weich wie Butter, und als Beilage gab es knackiges
Gemüse, Kartoffelrösti und eine köstliche Pfeffersoße. Sie aßen einige Minuten
schweigend, und Rebekka genoss es, sich den Bauch mit Essen von hoher Qualität
vollzuschlagen, das in krassem Gegensatz zu dem Junkfood der letzten Tage
stand.
    »Das schmeckt phantastisch.« Sie hob ihr Weinglas und prostete
Michael zu, der sie fröhlich ansah. »Ich kann gut verstehen, dass das Ihr
Lieblingsrestaurant ist.«
    »Es tut gut, sich etwas zu entspannen, sich nicht die ganze Zeit mit
den Schattenseiten der Gesellschaft zu beschäftigen, mit Kriminalität, Mord …«
    »Apropos Mord. In den letzten Tagen haben in meiner Gegenwart
mehrere Personen den Fall Lene Eriksen erwähnt«, unterbrach ihn Rebekka, »zum
einen ein paar Mitglieder aus John Mathiesens Gemeinde und zum anderen Egon. Er
will übrigens seine Nichte bitten, zu uns Kontakt aufzunehmen, sobald sie aus
den Ferien zurück ist. Sie ist mit Lene Eriksen aufs Gymnasium gegangen – und
mit John und Jane. Es ist schon merkwürdig, dass die Familie auch damals das
Mordopfer gekannt hat.«
    Michael nickte ernst.
    »An Lene Eriksen habe ich auch mehrmals denken müssen. Das war vor
meiner Zeit, und ich muss gestehen, dass ich mich nur an wenige Details des
Falls erinnere, obwohl er durch die Medien gegangen ist, aber damals hatte ich
andere Dinge im Kopf, nicht zuletzt Partys.«
    »Ich erinnere mich vage. Ich war damals ungefähr dreizehn. Die ganze
Stadt war aufgeschreckt durch den Mord. Doch in unserer Familie haben wir das
überhaupt nicht richtig mitbekommen, wir haben nicht darüber gesprochen, und
ich habe weiter dort gespielt, wo sie ermordet aufgefunden wurde. Ich kann mich
nicht einmal erinnern, dass ich Angst hatte«, sagte Rebekka, und Michael sah
sie aufmerksam an.
    »Aber für uns war damals alles etwas unwirklich«, beeilte sie sich
hinzuzufügen.
    »Wir holen den Fall aus dem Archiv und gucken, ob es Parallelen zu
unserem Fall gibt«, sagte Michael. Dann erzählte er eine Geschichte von Amalie,
während sich die Dunkelheit langsam über sie senkte.
    Sie bestellten Kaffee und ein Dessert, und Rebekka fühlte Michaels
Blick auf sich ruhen.
    »Ich habe mich auf heute Abend gefreut. Ich habe mich darauf
gefreut, dich besser kennenzulernen, mehr über dich zu erfahren«, sagte er
leise.
    Sie knüllte die Serviette zusammen. Genau davor hatte sie Angst, von
sich selbst zu erzählen, über ihre Kindheit und Jugend, ins Detail zu gehen,
das Innerste, wo das Dunkle und Gefährliche lag, zu offenbaren.
    Sie wollte gerade ausweichend antworten, als er fortfuhr: »Ich
möchte unglaublich gern mehr darüber hören, was du beim FBI gelernt hast. Das
klingt wirklich interessant … vor allem diese Verhörtechnik.«
    »Das ist es auch«, sagte sie und schluckte dankbar. »Ich war immer
der Meinung, dass die Psychologie hinter einem Verbrechen interessant ist,
deshalb war es für mich auch naheliegend, mich auf kognitive Verhörtechnik zu
spezialisieren. Die Methode wurde in den Achtzigerjahren von zwei
amerikanischen Psychologen entwickelt und geht ganz einfach davon aus, dass man
freundlich und entspannt ist und sich massenhaft Zeit für das Verhör nimmt. Man
lässt den potenziellen Täter das Gespräch steuern und frei von der Leber weg
reden, ohne ihn zu unterbrechen. Man kümmert sich um den Verdächtigen. Wenn er
rauchen will, darf er das, wenn er etwas Bestimmtes zu trinken haben will,
bekommt er das, und, was am wichtigsten ist, man muss in der Lage sein,
Empathie für den Täter an den Tag zu legen – was nicht mit Sympathie zu
verwechseln ist.«
    Michael hörte aufmerksam zu.
    »Ich finde es bei vielen Typen, mit denen wir es in unserem Job zu
tun haben, schwer, Empathie zu zeigen. Gewalttäter, Vergewaltiger, Pädophile …«
    Rebekka nippte an dem warmen Kaffee.
    »Wenn du dich in ihre Geschichte hineinversetzt, ist die
Wahrscheinlichkeit, dass sie reden oder gestehen, sehr viel größer, als wenn

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