Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Hastrup
Vom Netzwerk:
ergriffen sie. Abermals
trat sie mit aller Kraft zu. Endlich gab die Tür mit einem knackenden Geräusch
nach. Rebekka stolperte in die Diele, lief den langen Gang entlang bis zu der
letzten Tür, von wo das Weinen kam, und riss sie auf.
    Sanna Gudbergsen saß auf dem Bett. In ihren Armen wiegte sie ein
kleines Kind, das laut weinte. Rebekka stand stumm in der Tür und starrte die
beiden an, dann hörte sie, wie Michael sich von hinten näherte.
    »Ssst.« Sie drehte sich zu ihm um. Er blieb abrupt stehen und sah
sie fragend an. Sie winkte ihn zu sich, und er riss verblüfft die Augen auf,
als er Sanna Gudbergsen mit dem Kind im Arm sah. Sie saß ruhig mit
geschlossenen Augen da, während sie mit leiser Stimme ein Wiegenlied summte. Das
Weinen des Kindes wurde langsam leiser und versiegte in einem leisen Schniefen.
Rebekka trat vorsichtig ins Zimmer.
    »Sanna.« Rebekka hockte sich vor sie hin, doch Sanna Gudbergsen
schien ihre Anwesenheit nicht zu bemerken. Rebekka legte ihr eine Hand auf den
Arm, und die Frau sah sie mit leuchtenden Augen an.
    »Wie heißt das Kind?«, fragte Rebekka leise.
    »Anna. Sie heißt Anna, wie sonst«, antwortete Sanna Gudbergsen und
drückte das Mädchen fester an sich.
    »Das ist doch Anna. Die verschwundene Anna Jelager«, flüsterte
Michael, und Rebekka gab ihm ein Zeichen, im Präsidium anzurufen. Er verließ
das Zimmer, und kurz darauf hörte sie aus der Diele sein leises Murmeln.
    »Nein.« Sanna Gudbergsen sah Rebekka erschrocken an. »Das ist doch meine Anna, nicht?«, fügte sie fragend hinzu, und Rebekka
schüttelte leicht den Kopf, während sie vorsichtig versuchte, das Kind aus
ihren Armen zu befreien.
    »Nehmen Sie mir nicht meine Anna weg, meine kleine Anna.« Große
Tränen liefen ihr über das Gesicht. Der Griff um das Kind, das laut zu weinen
begann und sich aus Sanna Gudbergsens Armen zu befreien versuchte, wurde
fester.
    »Sie müssen Anna jetzt loslassen.« Rebekka sprach mit leiser,
monotoner Stimme auf sie ein, und Sanna Gudbergsen bohrte ihr Gesicht in das
blonde Haar des Mädchens und wiegte es sanft hin und her.
    Das Kind hörte auf zu weinen. Sie saßen eine Weile schweigend da.
    »Komm, Anna.« Rebekka streckte dem Kind die Hand hin. »Anna, wir
fahren jetzt nach Hause zu deiner Mama.«
    »Mama.« Anna sah Rebekka, die sie vorsichtig aus Sanna Gudbergsens
Armen befreite, mit großen Augen an. Rebekka spürte die Wärme, die von dem
kleinen Körper ausging, und den schwachen Geruch nach saurer Milch. Sie trug
das Mädchen zur Tür. In der Ferne hörte sie Sirenen, und es zuckte erneut gefährlich
um den Mund des Mädchens. Rebekka strich ihr beruhigend über das dünne blonde
Haar, während Sanna Gudbergsen sich in Embryostellung auf dem Bett zusammenrollte.
    —
    Die Stimmung im
Polizeipräsidium besserte sich schlagartig, als die Neuigkeit, dass die kleine
Anna Jelager gefunden war, sich verbreitete. Das Kind wurde direkt ins
Krankenhaus gebracht, wo man es gründlich untersuchte. Man war sich schnell
einig. Das Mädchen hatte keine physischen Schäden davongetragen, Sanna
Gudbergsen hatte es gut versorgt. Anschließend wurde Anna ihrem erschütterten,
aber erleichterten Vater übergeben. Sie wollten sofort Katrine Jelager
besuchen, erklärte Gregers Johansen, der sich sicher war, dass seine Exfrau in
Anwesenheit der Tochter sofort aus ihrem komatösen Zustand aufwachen würde.
    Sanna Gudbergsen wurde festgenommen,
äußerte jedoch den Wunsch, sofort in die Psychiatrie eingewiesen zu werden.
Rebekka und Michael fuhren sie dorthin. Sie saßen lange in einem grauen
Wartezimmer, während der Papierkram erledigt wurde. Sanna Gudbergsen erzählte
gefasst und monoton von Anna Jelagers Entführung. Sie war zu Bilka gefahren, um
einzukaufen, weil sie nichts mehr zu essen im Haus gehabt hatte. Es war später
Donnerstagnachmittag gewesen, sie konnte sich nicht an die genaue Uhrzeit
erinnern, weil sie einiges an Whisky getrunken und ein paar Beruhigungspillen genommen
und sich ziemlich umnebelt gefühlt hatte. Sie hatte ihren Einkaufswagen
vollgeladen, als sie mehrmals gehört hatte, wie jemand den Namen Anna rief. Und
kurz darauf war ein kleines blondes Mädchen auf sie zugelaufen gekommen und
hatte ihr seinen Schnuller gezeigt. Sanna Gudbergsen war sofort davon überzeugt
gewesen, dass das ihre Anna war, und sie hatte das kleine Mädchen an der Hand genommen und ihm
ein Bonbon gegeben, das sie zufällig in der Manteltasche hatte. Sie hatte das
Mädchen durch den

Weitere Kostenlose Bücher