Vergeltung
Lagereingang hinausgetragen, der auf den Parkplatz führte.
Auf dem Weg ins Ferienhaus war das Kind eingeschlafen, und Sanna Gudbergsen
hatte es im Auto sitzen lassen, während sie in dem Supermarkt im Ort eingekauft
hatte. Anna sollte es an nichts fehlen , erklärte sie immer wieder.
Zwei kräftige Pfleger betraten den Raum und forderten Sanna
Gudbergsen auf mitzukommen. Rebekka und Michael beobachteten, wie der
schmächtige Körper zwischen den weißen Kitteln davonwankte.
Schweigend fuhren sie zurück ins Polizeipräsidium.
»Sie wollte einfach die Zeit zurückdrehen und eine zweite Chance
bekommen«, sagte Rebekka und empfand Mitleid mit der Frau. Sie kannte dieses
Gefühl nur allzu gut.
Die Kollegen kamen ihnen entgegen, als sie im Präsidium eintrafen.
Teit Jørgensen hob fast vor Begeisterung ab, als er sie sah. Er hatte seine
Chefs über die Entwicklung informiert, und die Stellung des Polizeioberrats war
einen Schritt näher gerückt.
»Ihr müsst total erschöpft sein. Habt ihr überhaupt etwas zu Mittag
gegessen?«, fragte er freundlich, und beide schüttelten den Kopf.
Michaels Magen begann bei dem Gedanken laut zu knurren, und Teit
Jørgensen wandte sich appellierend an Bettina Pallander: »Sieh bitte zu, dass
die Armen etwas zu essen bekommen, Bettina.«
Bettina starrte erst Michael und dann Rebekka wütend an.
»Was wollt ihr haben?«, fauchte sie und griff wütend nach einem
Stück Papier und einem Kugelschreiber.
»Wie wäre es mit einem lecker belegten Brötchen?«, schlug Michael
vor und sah Rebekka an, die ihre schmerzenden Schläfen massierte.
»Entscheide du, mir ist es egal«, antwortete sie und wäre am
liebsten nach oben in ihr Büro verschwunden, um für einen Moment Ruhe zu haben.
Bettina stöhnte ärgerlich.
»Entscheidet euch gefälligst. Ich habe noch etwas anderes zu tun,
als Essen zu holen.«
»Ich nehme ein belegtes Brötchen«, beschloss Michael, und Bettina
verschwand durch die Tür, die mit einem lauten Knall zufiel. Rebekka stand
schnell von ihrem Stuhl auf.
»Ich bin in meinem Büro. Mein Kopf braucht einen Moment Ruhe.« Sie
floh die Treppe hinauf und betrat in dem Moment das Büro, in dem das Telefon
klingelte.
»Hallo, hier ist Pia Bjerregaard, Eriks Nichte.«
Die Stimme klang urjütländisch, und Rebekka lächelte unwillkürlich,
da sie sie an ihre Tante erinnerte.
»Ich habe eine Nachricht von meinem Onkel vorgefunden, als ich aus
den Ferien nach Hause gekommen bin. Er hat mich gebeten, Sie anzurufen, und
gesagt, dass es um Lene geht, ja, und um John und Jane Mathiesen. Wir sind alle
im Gymnasium in eine Klasse gegangen.«
»Das hat er mir erzählt. An was können Sie sich erinnern?«, fragte
Rebekka und spürte eine zittrige Erwartung.
»Also«, Pia zögerte kurz, »John war sehr beliebt. Wir waren wohl
alle ein wenig in ihn verliebt.« Sie lachte verlegen.
»Wie würden Sie ihn beschreiben?« Rebekka fuhr mit dem Zeigefinger
über das Bücherregal und schob eine Wollmaus zu einer Kugel zusammen, die auf
dem Teppich landete.
»Er war sehr charismatisch, konnte die ganze Klasse unterhalten,
selbst den Lehrer. Es bestand kein Zweifel, dass er es einmal weit bringen
würde, und so ist es ja auch gekommen. Sicher gibt es niemanden in Ringkøbing,
der ihn nicht kennt.«
»Stimmt. Was können Sie über Lene und Jane erzählen?«
»Sie waren sehr verschieden. Lene war ein sehr lebhaftes Mädchen,
offen und amüsant, während Jane stiller und pflichtbewusster war – tüchtig
trifft es wohl ganz gut. Aber sie war ja auch die Tochter von Pfarrer
Bækkegaard, etwas anderes hätte sie sich wohl kaum getraut.«
»Wie meinen Sie das?«
Pia Bjerregaard zögerte kurz.
»Ich meine nur, dass Jane knappgehalten wurde. Ihre Eltern waren
sehr religiös und für alles gab es strenge Regeln. Sie durfte nicht rauchen,
tanzen, mit Jungen ausgehen oder Partys besuchen. Es muss schwer für sie
gewesen sein.«
»Wie war Lenes und Janes Verhältnis zu John?«
Pia lachte leise.
»Das könnte man fast schon als Dreiecksdrama bezeichnen. Soweit ich
mich erinnere, war John zuerst mit Jane zusammen, dann hat er mit ihr Schluss
gemacht und war eine Zeit lang mit Lene zusammen und, nun ja, dann ist er ja,
wie bekannt, bei Jane gelandet.«
»Was nicht so erstaunlich ist«, stellte Rebekka trocken fest, »Lene
wurde schließlich ermordet.«
»Stimmt, aber Jane und John sind schon vor Lenes Tod wieder
zusammengekommen«, antwortete Pia.
»Sie hatten gerade angefangen zu
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