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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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war das Lächeln hinterher eher ein Bedürfnis. Aber ich war eine Frau und auf Sozialverhalten konditioniert.
    Krk ächzte. »Lisa, was ich sagen will: Ich finde halt, du bist zu schade … Ich meine, du bist irgendwie anders, und ich bin …«
    Liebe erfand wirklich jede Banalität neu. Ich musste Krk zum Schweigen bringen, ehe er sich seiner Sätze noch mehr schämte als dessen, was er mir nicht sagen konnte.
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Ich verstehe dich vollkommen.«
    Krk schwieg. Verständnis war nicht das, was er wollte.
    »Ich hoffe nur«, sagte ich, »du kündigst mir nicht auch die Zusammenarbeit im Fall Gabi auf.«
    »Selbstverständlich nicht.«
     

23
     
    In der Samstagsausgabe auf der Lokalseite des Anzeigers fand ich beim Morgenkaffee die kleine Meldung: »Polizei sucht Leiche. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart haben die Böblinger Behörden gestern auf dem Böblinger Friedhof ein Grab ausheben lassen. Die Ermittlungsbehörden vermuteten unter dem Sarg die sterblichen Überreste einer jungen Frau, die seit August 1994 vermisst wird. Die Suche erwies sich jedoch als vergeblich. Die Maßnahme stand im Zusammenhang mit dem Tod des 23-jährigen Uwe H. der an der Johanneskirche am 9. dieses Monats …« Ein Fehler, es war der achte gewesen.
    »… von einer jungen Frau nach deren Angaben in Notwehr erschlagen worden war. Offenbar schließt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nun nicht mehr aus, dass der getötete Uwe H. der aus Böblingen stammte, sich der Frau in verbrecherischer Absicht genähert haben könnte. Die Polizei geht Hinweisen nach, wonach Uwe H. in wenigstens einem Fall bereits eine Sexualstraftat mit Todesfolge begangen haben könnte. Krk.«
    Warum musste ich das, worauf ich seit zwei Tagen wartete, aus der Zeitung erfahren? Aber vielleicht hatte er ja auch versucht, mich gestern zu erreichen, und Martha hatte ihm erklärt, ich hätte keine Zeit, weil wir die Amazone fertig machten. Das hatte stets etwas von Aufräumarbeiten nach einer Hausdurchsuchung durch den Verfassungsschutz. Wir wühlten uns durch Papier auf der Suche nach der Ordnung hinter den Dingen und holten das Letzte aus uns, unseren Schubladen und Schreibmaschinen heraus. Marie hatte vermutlich die Nacht durchgemacht, bis auch in der kleinsten Kleinanzeige das letzte Komma stimmte.
    Während die Bürger sich zum Weihnachtseinkauf auf die Gasse begaben und in die Innenstadt stauten, lenkte ich Emma hinaus über Vaihingen und Böblingen. Bei Hildrizhausen fuhr ich von der Autobahn und durch den Wald Richtung Herrenberg. Das Wetter war unentschlossen, ob es aufklaren oder neblig bleiben sollte.
    Die siebzehnjährige Rumänin Aurica G. wurde seit dem 9. November vergangenen Jahres vermisst. Sie hatte in einer Sammelstelle für rumänische Asylbewerber in Herrenberg gewohnt. Dem Unstand, dass sie ohne Eltern nach Deutschland gekommen war, war es wohl zu verdanken, dass ihr Verschwinden in der Presse keine weiteren Spuren hinterlassen hatte. Zusammen mit ihr war ein Fahrrad verschwunden. Der Journalist, der diese Geschichte in einem Herrenberger Blatt dargestellt hatte, hatte sich immerhin die Mühe gemacht herauszufinden, dass Aurica auf ihrem Fahrrad nahe einem Aussiedlerhof in der Nacht von Samstag auf Sonntag noch gesehen worden war.
    Hinter dem Wald öffneten sich Felder und Obstbaumwiesen. Nebel hing in sanften Senkungen. Schwere schwarze Äcker zogen sich hügelan. Apfel- und Birnbäume krallten sich kahl in den blassen Himmel. Darunter welkte gelblich und von Reif geweißelt das Winterheu. Die Straße schwang sich friedlich durchs Bild. Silotürme eines Aussiedlerhofs tauchten auf. Ein Feldweg mündete ein. Die Straße wurde von einem Spazierpfad begleitet, auf dem ein Alter seinen Mops ausführte.
    In Herrenberg, einem Städtchen, das wegen einer hoch aufragenden festungsartigen gotischen Kirche an sich sehenswert war, wendete ich Emma und fuhr zurück auf die Felder. Ich stellte mir vor, wie Uwe in dem Kadett – die Mutter hatte das Auto ja tatsächlich erst kurz vor Weihnachten vergangenes Jahr verkauft – Samstagabend auf Abenteuer fuhr, zwanghaft, verbittert und erregt vielleicht, im Hader mit sich selbst. Es war Nacht. Er sah zunächst nur eine Fahrradleuchte irrlichtern. Dann tauchte Aurica im Scheinwerferlicht seines Autos auf. Er sah sie nur kurz, aber es reichte. Flatterndes schwarzes Haar, die zum Lenker gestreckten Arme, die Hüften, die sich wechselseitig auf und nieder arbeiteten. Uwe bremste.
    Ich

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