Vergeltung am Degerloch
Darm und Blase in Todesangst. Ich hatte nicht mehr die Macht, dagegen zu kämpfen. Das war der Tod.
26
Glücklicherweise hing Krk noch in der Leitung, als ich umkippte. Ich konnte es nicht ändern. Die Versuchung, mich fallen zu lassen, war zu groß. Nur ungern verließ ich die lichten Regionen wieder, die, obgleich ich mich im Hinabsteigen zu erinnern suchte, sofort in nichts zerfielen. Ein quälendes Pflichtgefühl zog mich ins Neonlicht einer Intensivstation.
»Was machst du nur für Sachen?«, sagte Krk.
Ich konnte nicht antworten, denn meine Stimmbänder waren wie aus Sandpapier und mein Hirn wie aus Blei. Als der Arzt mich ins Gebet nahm, war es bereits Montag.
»Sie haben Glück gehabt«, sagte er. »Bei rechtzeitig einge leiteter Therapie verlaufen Schlafmittelvergiftungen heutzuta ge glücklicherweise kaum noch tödlich. Und nun erklären Sie mir mal, wie Sie das angestellt haben.«
»Was denn?«
»Sie haben eine offensichtlich letale Dosis Barbiturate genommen, von denen wir allerdings in Ihrem Mageninhalt nur wenig gefunden haben. Wir konnten sie erst durch Dialyse Ihres Blutes und anschließende Chromatographie in geringen Mengen nachweisen.«
Der Arzt war ein älteres Männchen, das aussah wie ein al tes Weiblein, das auf die übliche hühnerpopoartige Dauerwelle im gerupften weißen Haupthaar verzichtet hatte. Seine Augen verschwanden fast unter den Schlupflidern. Seine Lippen waren die Rosinenvariante eines ehemaligen Rasseweibes. Er redete leise und schnarrend. »Ich darf vermuten, dass Sie sich klar darüber sind, dass wir Sie nach einem Suizidversuch zunächst in psychiatrische Behandlung überstellen müssen.«
»Ich habe mich nicht umgebracht«, protestierte ich.
Das Männlein lächelte weise. »Wenn Sie mir plausibel erklären können, wie es aufgrund der – wie ich mal annehmen will – von Ihnen bestätigten Einnahme einer geringen Menge Barbiturate zu dieser lebensgefährlichen Reaktion kommen konnte, dann könnten wir mit uns reden lassen.«
»Ich habe allgemein niedrigen Blutdruck«, schlug ich vor. »Außerdem hatte ich nichts gegessen, aber Unmengen Kaffee getrunken.«
»Koffein hat doch wohl eher eine anregende Wirkung, nicht? Was für ein Schlafmittel haben Sie denn genommen?«
Ich sah meine Chance, ohne Mordanschuldigungen und Polizei aus dem Krankenhaus rauszukommen. Der Arzt hatte mir klare Bedingungen gestellt. Seine Neugierde verlangte nach einer Erklärung für ein von ihm noch nicht beobachtetes Phänomen. Nur musste mir schleunigst der Name für ein Schlafmittel einfallen, das ich etwa spät in der Nacht genommen haben könnte, um dessen Überhangwirkung am Morgen mit Kaffee zu bekämpfen, bis mich die Folgen der Übererregung gegen Mittag dann bewegten, eine Schlaftablette zur Beruhigung einzuwerfen. Ich dachte an das Pillenkärtchen, das auf Louises Nachttisch gelegen hatte: »Resodorm.«
»Seebutabarbital und Aprobarbital«, nickte das Ärztlein. »Eher ungünstig, diese zwei in Kombination. Ihnen ist bekannt, dass Barbiturate süchtig machen?«
»Ist mir bekannt«, sagte ich artig. »Normalerweise nehme ich auch nie Schlafmittel. Aber ich stand unter großer Belastung. Eine Freundin hat mir das Mittel gegeben. Sie sagte, einmal könne nicht schaden.« Ich leistete Sally, an die ich dabei dachte, insgeheim Abbitte.
»Nun gut«, nuschelte der Arzt. »Bei Barbituraten kann es immer wieder zu unberechenbaren Wechselwirkungen mit anderen Mitteln kommen, vor allem auch mit der Pille. Ich denke, Sie werden künftig die Finger davon lassen, nicht?«
Krk kam. Er berichtete von einer Pressekonferenz der für die Ermittlungen im Todesfall Louise Peters zuständigen Staatsanwältin Meisner, die in Anbetracht der öffentlichen Aufmerksamkeit mehr ins Detail gegangen war als üblich.
Die Ermittlungsbehörden gingen davon aus, dass sich Louise das Schlafmittel Resodorm in Selbsttötungsabsicht selbst beigebracht hatte. Der Verwesungsgrad der Leiche hat te einen eindeutigen chromatographischen Nachweis der Barbiturate im Lebergewebe nicht mehr zugelassen. Aber man hatte in der Wohnung keinerlei Hinweise auf Fremdeinwirkung gefunden. Im Glas auf dem Nachttisch hatten sich Reste des Schlafmittels befunden. Die Suche nach einem Abschiedsbrief war bislang sowohl in Louises Stadtwohnung als auch auf ihrem Landsitz auf der Schwäbischen Alb und in ihrem Büro vergeblich gewesen. Nach Auskunft des Hausarztes hatte Louise an gelegentlichen Anfällen von Angina pectoris
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