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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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das alles?«
    »Sie hat in Tübingen studiert, nicht wahr?«
    »Ja, aber das wissen Sie doch. Oder sind Sie gar nicht von der Polizei?«
    »Ich bin Journalistin, ich –«
    »Scheiße!« Damit war die Leitung tot.
    »Guck mal«, sagte Krk, als ich auflegte. »Marie wohnt in der Löwenstraße in Degerloch.«
    Soso. Helgas Geschrei fiel mir ein, ihre Vorwürfe an Ma rie, sie in ihrer Erbschaftsvilla in Degerloch wisse ja nicht, wie sich die Türkinnen in ihren Wohnungen pferchten.
    »Verstehst du?«, sagte Krk. »Uwes Schwarzbuch. Ich nehme doch an, ihr macht hier um fünf Schluss. Dann kommt Marie um kurz nach halb sechs mit der 6 am Albplatz an. Ein Einkauf bei Laukin und dann heim in die Löwenstraße. Sonntags ein Spaziergang im Silberwald. Uwe ist Marie hinterhergestiegen.«
    »Und die Johannestraße oder -kirche? Die Traubenstraße. Das war Gabis Gegend. Es wäre ein zu absonderlicher Zufall, dass Uwe sowohl Gabi als auch Marie observiert hätte.«
    »Es war Marie«, beharrte Krk überraschend lebhaft. »Ma rie, Marie.«
    »Der Mörder ist immer der Gärtner«, sagte ich.
    Krk forderte das Schwarzbuch an. »Schau her. Du hast gesagt, die Eintragungen wären Termine, also Daten, zu denen Uwe vorhatte, jemanden zu treffen. Aber wieso steht dann hier hinter der ersten Eintragung die Jahreszahl 94? Niemand fügt einer Verabredung eine Jahreszahl hinzu. Nein, ich glau be immer noch, dass das Ganze das Protokoll von Beobachtungen ist.«
    »Nur dass Uwe definitiv nicht sein Sterbedatum protokollieren konnte.«
    »Vermutlich war er doch nicht gleich tot«, sagte Krk.
    Ich lachte. »Mein lieber Junge, deiner männlichen Logik setzt die Aura der Amazone aber ordentlich zu. Als ob Uwe nichts Wichtigeres zu tun gehabt hätte, als die Liste seiner Observationen fortzuführen, bevor er krepierte. Zumindest hätte er dann ruhig den Namen seiner Mörderin hinschreiben können, nicht?«
    »Lisa, du glaubst doch auch, dass es Marie war?«, sagte er leise.
    »Von Anfang an«, antwortete ich.
    Krk musterte mich skeptisch. Langsam zog er sich den Mantel aus und zündete sich eine Zigarette an. Ich holte meine Flasche Calvados aus der Küche und zwei Gläser.
    »Es ist nur so«, sagte ich und goss ein, »dass nichts zu sammenpasst. Freilich, Marie hat Telefongespräche mit Loui se erfunden. Sie hat einen Kommentar fingiert und ihn von Louises Haus auf der Schwäbischen Alb gefaxt. Kriminelle Energie besitzt sie also durchaus. Sie ist ehrgeizig, verschlossen und willenstark. Und wenn es nur um Louises Tod ginge, dann würde ich durchaus einräumen: Okay, sie hat sie umgebracht. Sie wollte die Zeitung retten. Sie wollte Chefin werden. Überdies hat Louise Marie bis aufs Blut gedemütigt, indem sie sie zu Hede schickte und hinterher das Interview zerpflückte.«
    »Hast du dieses Interview?«
    Ich deutete vage in die Runde. »Ich suche es seit Tagen.«
    Krk kippte seinen Calvados. »Na denn. Wir haben die gan ze Nacht.«
    Ich fuhr ihm schnell durch den grauen Schopf. Er schnapp te meine Hand, aber ich krallte meine Finger in seine Haare. Seine Augen bekamen wieder diesen gehetzten Ausdruck. »Nicht hier«, knurrte er. »Lisa, hör auf. Ich will nicht.«
    Moderne Schreibtischstühle waren eine wunderbare Sache, um jemanden außer Gefecht zu setzen. Sie rollten weg, wenn der andere aufspringen wollte. Sie wippten rückwärts, wenn er sich gegen den Angriff stemmte. Und schließlich verhakten sich die Rollen in den Regalecken, und das Opfer konnte sich nicht einmal dadurch retten, dass es mitsamt dem Stuhl umkippte. Krk hatte alle Hände voll damit zu tun, meine Hände festzuhalten, und so konnte er es nicht verhindern, dass ich seine mit Calva dos gewürzten Lippen einfing. Ich überlegte gerade, ob ihn ein anständiger Würgegriff bändigen würde, da klingelte es.
    Und es klopfte gleich darauf energisch an der Redaktionstür. »Aufmachen, Polizei!«
    Es waren zwei junge Beamte in grünen Hosen und schwarzen Lederjacken. Die Pistolen baumelten an den Hüften. Ihre Kinderaugen flitzten durch das Sekretariat und blieben an Krk hängen, der sich wieder in eine ordentliche, männliche Positi on aufgerappelt hatte.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, völlig.«
    Vielleicht klang ich zu beschwipst. Jedenfalls wollten die Beamten meinen Personalausweis sehen und machten keine Miene, mir zu glauben, dass ich hier arbeitete.
    »Rufen Sie Marie Trittan an«, sagte ich. »Sie wird Ihnen bestätigen, dass ich ein Mitglied dieser Redaktion bin.

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