Vergeltung am Degerloch
diesmal langsam. Und siehe da, er überließ mir ohne weiteren Protest das behaarte Gebilde aus Knochen, Muskeln, Adern und Sehnen. Die kleine Narbe an der Handwurzel war mir früher schon einmal aufgefallen.
»Das Bierglas«, sagte ich.
Er riss die Hand an sich.
»Wie bist du sie losgeworden?«
Krk wich zurück. »Sie hat … sie hat das getan, was man einen erweiterten Selbstmord nennt und was üblicherweise Männer tun.« Er schaute mich an. »Nein, kein Messer, keine Pistole, keine Axt, sondern Gift. Ich habe überlebt.«
Er hatte mehrmals versucht, mir zu erklären, dass er mit mir etwas tat, was er nicht für in Ordnung hielt. Ich hatte es für ein Spiel gehalten. Wie hätte ich aber auch annehmen sollen, dass ein erwachsener Mann dem perversen Glauben anhing, er könne die Liebe einer Frau – meine Liebe – nur dadurch gewinnen und halten, dass er sich misshandeln ließ?
Ich raufte mir die Haare. »Ich bin überfordert.«
Krk lächelte etwas. »Das gibt sich wieder.«
»Wie konntest du das Louise erzählen?«
Er grinste. »Es ist doch eine richtig gute böse Geschichte, so eine Backlash-Story für den Frauenfeind in der Feministin. Louise hat sie auch nie veröffentlicht. Sie passte in kein Schema.«
»Aber wenn sie sie im SPIEGEL untergebracht hätte, wäre es für dich eine ziemlich böse Geschichte geworden. Irgendjemand hätte dich sicher identifiziert. Im besten Fall hätten deine Kollegen sich das Maul nur hinter deinem Rücken zerfetzt, aber der eine oder andere hätte dir auch auf die Schulter geklopft und gesagt: Recht so, dass Sie das Weib vergiftet haben.«
»Louise hat mir versprochen, die Geschichte vollständig zu anonymisieren.«
»Wie habt ihr euch denn kennen gelernt?«
»Bei den anonymen Alkoholikern.«
Da meine Haare schon zerrauft waren, ging ich die Flasche Calvados suchen. Krk kam mir hinterher.
»Ehrlich gesagt«, sagte er, »ich habe nie so recht verstanden, wie eure Louise Peters zu dem Ruf gekommen ist, eine knallharte Emanze zu sein. Sie kam mir mit so viel Verständnis entgegen. Sie betreibt gar nicht die Schwarz-Weiß- Malerei, die die Männerpresse ihr immer vorwirft. Ja, ich ha be selten Männer so hart, so scharf, so erbarmungslos über Frau en reden gehört.«
»Dein Vertrauen in allen Ehren«, sagte ich, »aber wenn sie es für opportun gehalten hätte, dann hätte sie deine Geschich te mit vollem Namen veröffentlicht.«
»Dann hätte ich durchaus auch einiges zu veröffentlichen gehabt.«
»Ah. Was denn?«
»Zum Beispiel, dass sie heiraten wollte, und zwar –«
»Doch nicht etwa dich?« Ich lachte hemmungslos.
Krk stand regungslos am Tisch, die Augen gesenkt.
Ich konzentrierte mich auf den Calvados. »Louise hat dich reingelegt, fürchte ich. Sie war ein Aas. Für sie waren wir keine Menschen, sondern Beispiele. Sie hatte so eine mütterliche Art zuzuhören, dass man sich um Kopf und Kragen quatschte. Du hast der Falschen vertraut.«
Krk griff nach dem Glas. Ich zog es einen Zentimeter aus seiner Reichweite. »Vorsicht!«
In seinen Augenwinkeln entstanden schwierige Falten. Er nahm das Glas und kippte den Calvados. Dann schaute er mit glänzenden Augen auf mich herab. »Verstehe«, sagte er harsch. »Du meinst, so einer wie ich macht sich immer lächerlich. Willst du wirklich, dass ich dir alles erzähle, bis zum bitteren Ende? Was macht dich so sicher, dass du es überlebst? Nicht von ungefähr taucht im Zusammenhang mit dem Wort Masochist immer auch das Wort Sadist auf. Ich kenne die Gewalt. Ich bin die Gewalt. Es stimmt, Louise hat mir meine Geschichte entlockt, um sie für ihre Theorie der Macht zu missbrauchen. Aber die Theorie ist grundfalsch. Louise behauptet, ich hätte den weiblichen Part übernommen. Wenn das so ist, dann steht für mich fest, wer wirklich die Macht hat. Ich weiß, wie man als Geschlagener und Säufer den Partner fesselt, terrorisiert, demontiert, in den Selbstmord treibt. Ich habe jeden Schlag kommen sehen. Ich habe ihn provoziert. Warum verlassen geprügelte Frauen ihre Männer nicht? Aus demselben Grund, warum ich meine Frau nicht verlassen habe. Weil ich dazu da war, das Böse im Menschen zum Vorschein zu bringen und seine Schuld zu zementieren.«
»Irrtum, Krk. Frauen denken nicht an Macht, wenn sie leiden. Deine Männermachtphantasien machen dich zum Hen ker, Krk!«
»Und du, meine liebe Lisa, willst mich jetzt besoffen machen, damit ich dir drei Morde gestehe. Das würde dir gefallen, was? Aber was dann? Was
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