Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

des Hotels mit Anschluss an die Linea tres.
    »Ich hab da schon mal übernachtet«, sagt Alessandro. »Ist ein gutes Hotel. Zimmerservice rund um die Uhr.«
    Willem hält das Foto mit dem Zeigefinger fest und zeichnet ein Dreieck mit Fadenkreuz auf eines der Dächer gegenüber.
    Das Versteck.
    »Wenn du eine Suite auf dieser Seite des Hotels bekommst«, sagt Willem. »Kann ich von hier aus schießen.«
    »Und der Zugang zum Dach?«, fragt Donovan.
    Ein schneller Blick auf den Computer verrät, dass sich das anvisierte Versteck in einem Apartmenthaus befindet.
    »Dürfte kein Problem sein«, sagt Alessandro.
    »Und wenn ich sie nicht auf die Terasse rausbekomme?«, fragt Dave. »Kannst du in den Raum schießen.«
    »Aus diesem Winkel?«, fragt Willem. »Ich kann’s nicht garantieren.«
    »Dann werde ich sie auf die Terasse bringen«, sagt Dave.
    Willem und Alessandro sind die Scharfschützen, Dave und Amir setzen sich mit den Zielpersonen in das Hotelzimmer. Michel wartet in der Hotellobby, Lev und Ulrich sichern die Straße.
    Sobald die Zielpersonen ausgeschaltet sind, verlassen Dave und Amir das Hotel und steigen zu Simon in den Wagen. Willem und Alessandro werden von Cody unten vor dem Haus abgeholt.
    Ulrich und Lev verschwinden in die Metro.
    Donovan, der den Einsatz aus einem dritten Wagen heraus leitet, wird Michel zwei Straßenecken weiter abholen.
    Kaum steht der Plan, beginnen sie mit den Vorübungen, gehen den Ablauf ein Dutzend Mal durch. Es ist nicht die Art von Vorbereitung, die sie gewohnt sind – keine Attrappen, keine Simulation, kein Ausdauertraining – aber es ist das Beste, was sie unter den gegebenen Umständen tun können.
    Sie gehen die Eventualitäten durch – stellen »Was wäre wenn«-Fragen. Was wäre, wenn es Collins nicht gelingt, die Zielpersonen auf die Terasse zu führen? Was wäre, wenn die Zielpersonen mit eigenen Scharfschützen anrücken? Was wäre, wenn die spanische Polizei eingreift? Was wäre, wenn … Sie alle wissen, dass sie unmöglich jede einzelne Möglichkeit vorhersehen können, aber es ist trotzdem gut, möglichst viele Szenarien durchzugehen.
    Die Besprechung wird unterbrochen, damit jeder sein Equipment vorbereiten und sich ausruhen kann. Müde Männer treffen schlechte Entscheidungen.
    Dave kann nicht schlafen.
    Morgen wird er zwei Männern begegnen, die den Mord an seiner Familie organisiert und finanziert haben. Er wird mit ihnen im selben Zimmer sitzen, mit ihnen sprechen, mit ihnen verhandeln, sie in die Falle locken und warten, bis ein anderer abdrückt.
    Es ist die richtige Entscheidung – Willem ist ihm als Schütze weit überlegen.
    Dahir und Baseyew werden sterben.
    Nicht direkt durch dich, sagt sich Dave, aber du darfst dabei immerhin eine Rolle spielen.
    Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Kann ich diese Rolle spielen, fragt er sich? Kann ich die Nummer durchziehen? Oder wird etwas an meinem Blick, meiner Stimme meine Wut, meinen Zorn und mein brennendes Bedürfnis nach Vergeltung verraten?
    Er denkt an Diana.
    Was würde sie von all dem halten? Würde sie wollen, dass ich weitermache, oder würde sie mich bitten, loszulassen, mein Leben zu leben?
    Ein Leben ohne dich gibt es nicht, denkt er.
    Und was würdest du Jake sagen, wenn er dich fragen würde, was du hier machst? Würdest du ihm erklären, dass es um Gerechtigkeit geht? Oder um Rache? Und wie würdest du den Unterschied erklären, wenn es überhaupt einen gibt?
    Er kennt die Antworten nicht.
    Er weiß nur, dass er sie vermisst, dass der Schmerz in seinem Herzen noch kein bisschen nachgelassen hat, auch nicht seit dem Mord an den Todesschützen. Die Wahrheit ist: Er fühlt immer weniger.
    Früher warst du ein Killer, denkt er jetzt.
    Dann hast du das alles hinter dir gelassen, oder zumindest hast du das geglaubt.
    Jetzt bist du wieder ein Killer.
    Ein Leben, das dir vertraut ist.
    Nicht das Leben, das du dir gewünscht hast, aber jetzt ist es dein Leben.
    Als die Sonne aufgeht, liegt er immer noch wach.
    Auch Abdullah Aziz liegt wach.
    In Paris kommt mit dem Morgengrauen auch der Lärm der Mülllaster und Straßenfeger, und Aziz liegt auf dem Bett und lauscht, während er die Fotos des Amerikaners aus der Bar betrachtet.
    Der enttäuschte ehemalige Special-Op, der bereit ist, Gift zu verkaufen und sein eigenes Volk zu gefährden.
    Ist er das wirklich?
    Oder handelt es sich um eine Falle? Egal, das Risiko ist es wert. Der Kauf des BoNT wird Scheich Yusuf zufriedenstellen und auf Kurs halten. Und sie