Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
sagt Michel.
»Und ich«, sagt Lev.
Amir nickt.
Alessandro sagt: »Wie viele Autos kann man schon fahren?«
»Also dann, für Rolf«, sagt Willem.
Simon zuckt mit den Schultern. »Was soll’s?«
Es ist beschlossen.
Der Einsatz läuft.
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Miriam löst den Haarknoten unter der dampfend heißen Dusche.
Das Wasser fühlt sich auf ihrem Nacken wunderbar an, es prasselt auf sie herunter und nimmt etwas von der Anspannung. Jetzt fällt es ihr leichter, sich zu entscheiden – am nächsten Morgen wird sie früh mit dem Zug nach Connecticut fahren. Da gibt es eine kleine Frühstückspension in Fußnähe zum Wasser. Ein paar Spaziergänge am Strand werden ihr gut tun, mal einen Tag oder so abschalten, die Füße hochlegen und einen albernen Krimi lesen.
Die Badezimmertür geht auf, sie spürt es mehr, als dass sie es hört. Miriam greift durch den Duschvorhang nach der Ruger, aber der Mann hat bereits eine Pistole auf sie gerichtet.
»Nein, nein, nein«, sagt er.
Dave schüttelt den Kopf, womit er sagen will, dass er sonst nichts braucht.
»Na schön«, erwidert der Mann am Empfang und überreicht ihm den Umschlag mit der Schlüsselkarte zum Penthouse Passeig de Gràcia .
Dave und Amir fahren mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock und folgen dem langen Gang zur Suite. Wie es sich für die Preislage gehört, ist sie riesengroß, ausgestattet mit edler Vliestapete, sperrigen Polstermöbeln, einem Sofa und allen möglichen anderen Annehmlichkeiten. Eine Schiebetür führt auf die geräumige Terasse mit Stühlen, einem Sofa und einem Tisch.
Dave nimmt die Sig Sauer und eine Rolle Klebeband ausder Aktentasche und befestigt die Pistole unter einem der Stühle.
Dann telefoniert er.
»Hotel Majestic«, sagt er. »Penthouse Passeig de Gràcia. Wir sind zu zweit, ich erwarte nicht mehr als zwei Personen.«
Dann legt er auf.
Außer zu warten gibt es jetzt nichts zu tun. Werden sie kommen? Oder fällt die Operation einfach ins Wasser?
Amir nimmt die Fernbedienung und zappt sich durch die Kanäle.
»Ich glaube kaum, dass die hier Al Jazeera empfangen«, sagt Dave.
»Sehr witzig«, erwidert Amir.
Als Fernseh-Techniker der Firma Easi-Sat verkleidet betreten Willem und Alessandro das Wohngebäude gegenüber dem Hotel Majestic.
Sie haben keinen Termin, deshalb will der Pförtner sie nicht reinlassen.
Alessandro zuckt mit den Schultern. »Mir egal. Wir können auch in sechs Wochen wiederkommen, aber dann dürfen Sie den Bewohnern erklären, warum sie das nächste Barça-Spiel nicht gucken können.«
Mit Easi-Sat kann man Sky Sports, TNT, italienisches, französisches und russisches Fernsehen empfangen, alles zum Schnäppchenpreis. Und auf Sky werden die Fußballspiele übertragen.
Der Pförtner lässt sie rein.
Sie schleppen ihre Ausrüstung in den Fahrstuhl und aufs Dach. Alessandro nimmt ein Leupold Mark 4 aus dem Hartschalenkoffer, ein 12-40 x 60 Spektiv. Das Beobachtungsfernrohr ist 31,5 Zentimeter lang und wiegt nur 1045 Gramm, deshalb braucht Alessandro kein Stativ. Anschließend packt er ein MacBook Pro aus, baut es neben dem Zielfernrohr auf und hat damit den WiFi-Anschluss im Haus schnell geknackt.
Willem öffnet einen röhrenförmigen Behälter, nimmt die Einzelteile seines AWSM-.338 Lapua Magnum-Scharfschützengewehrs heraus und setzt sie zusammen. Das letzte Stück ist ein Military MK II Zielfernrohr von Schmidt & Bender mit BDC – Bullet Drop Compensator – und Cosine Indicator .
Die geladenen VLD( Very Low Drag )-Torpedoheckgeschosse sind weniger anfällig für Abweichungen, was bei einer Entfernung von knapp zweihundert Metern entscheidend sein kann. Durch das »Torpedoheck« wird der Strömungswiderstandskoeffizient gesenkt und damit der Geschwindigkeitsverlust, was eine flachere Flugbahn zur Folge hat. Die Hohlspitzform hat den Vorteil, dass sich der Schwerpunkt des Geschosses zum Geschossboden verlagert und so die ballistischen Eigenschaften verbessert.
Jede Kugel, auch eine mit einem hohen ballistischen Koeffizienten, weicht nach unten ab, weshalb das Ziel entsprechend anvisiert werden muss.
Die kompliziertere Frage ist die nach dem sogenannten Abschusswinkel, denn der beträgt vom Abschusspunkt aus betrachtet 45 Grad. Aufsatzwinkel bzw. Anfangsgeschwindigkeit müssen exakt im Verhältnis zum Horizont verringert werden. Daher der Cosine Indicator am Zielfernrohr.
Aber Willem wird sich nicht ausschließlich auf das relativ neu entwickelte Gerät verlassen. Alessandro wird nachmessen
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