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Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Vergeltung (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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ruhigeren Ort gehen und reden möchten …«
    »Nein. Nein, danke.« Er blickt die Mitarbeiterin der Fluggesellschaft an, sie hat Tränen in den Augen. »Was ist der nächste Schritt?«
    Sie seufzt. »Wir raten den Menschen … in Ihrer Situation … nach Hause zu fahren und abzuwarten.«
    Nach Hause, denkt Dave.
    Zu Hause?
    Wo soll das jetzt sein?


    Jake und Diana werden nie mehr nach Hause kommen.
    Die nackte Realität bohrt sich ihm wie eine Kugel ins Herz.
    Dave stellt seine Tasche im Wohnzimmer auf den Boden und geht in die Küche. Es ist so still – kein gehetztes frühmorgendliches Geplauder, während sie darauf warten, dass der Kaffee durchgelaufen ist, kein »wie war dein Tag, Schatz« beim Gemüseschnippeln auf dem großen Schlachterbrett abends, kein schüchternes, aber glückliches Lachen von Jake, wenn sie sein Zeugnis mit einem Magneten am Kühlschrank befestigen.
    Da hängt es noch.
    Dave starrt es an.
    »Fahren Sie nach Hause und warten Sie ab«, hatte man ihm geraten.
    Worauf soll ich warten?, fragt sich Dave.
    Dass Diana und Jake durch die Tür spazieren?
    Es kommen keine Tränen.
    Er versucht, sie rauszulassen, will weinen, schluchzen, schreien, seinen Schmerz herausbrüllen, aber es kommt nichts. Er kann nur rumstehen und fühlen, wie sein Herz bricht.
    Es klingelt an der Tür.
    Dave will nicht aufmachen. Wahrscheinlich ein Nachbar, der es gut meint. Oder jemand von der Presse.
    Aber die verdammte Klingel gibt keine Ruhe.
    Er geht runter und macht auf.
    Vier Leute stehen vor der Tür – zwei Männer und zwei Frauen.
    »Mr Collins?« Ein Mann mittleren Alters überreicht Dave seine Visitenkarte. »Ich bin Doctor Kaplan vom Amt für Gerichtsmedizin.«
    »Haben Sie sie gefunden?«
    Kaplan läuft rot an. »Ich fürchte nein.«
    »Was dann?«
    »Ich bitte Sie nur ungern«, sagt Kaplan. »Mir ist bewusst, wie aufdringlich das ist, aber wir brauchen Proben für die DNA-Analyse.«
    Dave lässt sie rein.
    Auf Kaplans Bitte führt er sie hinauf ins Schlafzimmer und sieht zu, wie Kaplan und sein Team sorgfältig einzelne Haare von Dianas Kissen pflücken und in wiederverschließbaren Plastiktütchen verstauen.
    »Dürfen wir auch in das Zimmer Ihres Sohns?«, fragt Kaplan.
    Dave nickt und führt sie durch den Flur. Er bleibt im Eingang zu Jakes Zimmer stehen, während sich die Leute darin umsehen. Sie scheinen sich offensichtlich darüber zu freuen, dass der Junge seine Zahnbürste im Zahnputzbecher am Waschbecken vergessen hat.
    Auch sie verschwindet in einem sterilen Tütchen.
    »Danke«, sagt Kaplan. »Ich denke, wir haben, was wir brauchen.«
    Dave nickt erneut.
    Es gibt nichts zu sagen.
    Er bringt sie zur Tür und sieht ihnen nach, als sie gehen und mitnehmen, was von seiner Familie übrig blieb.


    Admiral Dana Wendelin joggt über die Key Bridge.
    Howard Bell, CEO von Eagle Airlines, läuft neben ihm.
    Trotz der Kälte hat Wendelin sein graues Naval-Academy-Sweatshirt völlig nassgeschwitzt. Sie sind eine lange Strecke gelaufen, fast den ganzen Weg von Tenleytown. Wendelin bleibt stehen, lehnt sich ans Geländer und bindet sich die Schnürsenkel.
    Wendelin ist hier in seiner Funktion als DIA Senior Liaison Officer des JSOC – Joint Special Operations Command –, einer Kommandoeinrichtung der US-Streitkräfte, die Verbundoperationen mit mehreren Spezialeinheiten verschiedener Teilstreitkräfte leitet und koordiniert. Aber die Bezeichnung ist Blödsinn – eine umständliche Umscheibung dessen, was Wendelin wirklich macht.
    Er jagt Terroristen.
    Und das macht er schon sehr lange.
    Als Delta-Force-Mitbegründer hat Wendelin in so ziemlich jedem Dreckloch der dritten Welt gedient, überall dort, wo sich das Rattenpack rumtreibt. Jetzt ist er Anfang sechzig, hat fünfzehn Pfund zu viel auf den Rippen, schneeweißes Haar und arbeitet vom Schreibtisch aus, anstatt aus Hubschraubern zu springen.
    Aber er macht immer noch dasselbe.
    Nur heute nicht, denkt er.
    Heute mache ich das Gegenteil.
    »Ich liebe es, wenn Schnürsenkel genau im richtigen Augenblick aufgehen«, keucht Bell, bleibt neben ihm stehen und beugt sich vor, um Atem zu schöpfen.
    »Wir haben die ›Wer rastet der rostet‹-Phase unseres Lebens erreicht«, erklärt Wendelin.
    »Aber du hast mich doch nicht nur zum Joggen herbestellt«, erwidert Bell. »Du willst mir was über Flug 211 erzählen, ohne dass jemand mithören kann.«
    »Ich weiß deine Offenheit zu schätzen.«
    »Deine wüsste ich auch schätzen.«
    »Du wirst es so

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