Vergeltung
fallen und warf sich gegen Betsy. Sein Leichtgewicht genügte, um Betsy aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich hinauszustoßen. Taumelnd musste sie mit ansehen, wie Johnny und Midnight Dancer unter dem brennenden Balken begraben wurden. Als ein weiteres Knarren zu vernehmen war, kletterte Betsy eilig über die Leiche des Jungen und den Balken und hastete auf den blassen Lichtschein zu, der durch die Scheunentür hereinfiel.
Als sie auf den Hof stolperte, fing Micky sie in ihren Armen auf. Betsy wich zurück, und ein Schwall Erbrochenes ergoss sich auf das Pflaster des Pferdehofs. Tränen liefen ihr über das Gesicht, die nicht vom Rauch allein kamen. Nur langsam beruhigte sie sich, während sie sich mit einer Hand an die kühle Wand eines Gebäudes stützte, das noch nicht den Flammen zum Opfer gefallen war. In diesem Moment erreichten die Feuerwehrautos den Hof, und das grelle Blaulicht der Wagen hob sich vom Scharlachrot der Flammen ab, die durch das Dach loderten.
Betsy keuchte, und plötzlich gaben ihre Beine nach. So fühlte es sich also an, wenn Jacko Vance es auf dich abgesehen hatte. Bei dem Gedanken musste sie sich erneut übergeben.
46
A ls das Boot unvermittelt zu schaukeln begann, blieb Tony fast das Herz stehen. Jemand musste auf den Kahn gesprungen sein, nur das brachte ihn so in Bewegung. Er versuchte hastig, auf die Beine zu kommen, aber der Raum zwischen Tisch und Bank war zu eng. Panisch suchte er mit den Füßen Halt und hätte fast vor Erleichterung geweint, als er Ambrose rufen hörte: »Ist es okay, wenn ich runterkomme?«
»Verdammt noch mal!«, antwortete Tony. »Ich hätte beinahe einen Herzanfall bekommen.«
Ambrose erschien, Beine zuerst, in der Luke. »Sie müssen sich mal eine Klingel anschaffen. Oder so eine Messingglocke, wie sie viele hier haben. Wenn schon, dann sollten Sie ein richtiger Bootsmensch werden.« Er schaute sich um und musterte den Laptop und die Papiere. »DCI Jordan hat nach Ihnen gesucht«, sagte er. »Ich hab ihr gesagt, dass Sie wahrscheinlich hier sind.«
»Danke«, entgegnete Tony. »Hatte ich erwähnt, dass sie mich für die Ermordung ihres Bruders verantwortlich macht?«
»Ah«, reagierte Ambrose. »Davon hat sie nichts gesagt. Ich dachte …«
»Und bis gestern hätten Sie damit auch noch recht gehabt.«
»Und wo ist sie hin?«
Tony deutete mit dem Kinn in Richtung Schlafkabine. »Sie macht ein Nickerchen.«
Ambrose lächelte das müde Lächeln eines verheirateten Mannes, der weiß, wie diese Dinge ablaufen. »Dann konnten Sie die Sache also klären?«
Tony schüttelte den Kopf und versuchte zu verbergen, wie aufgeregt er war. »Waffenstillstand. Ich denke, man kann von einem Sieg nach Punkten sprechen, Erschöpfung gegen Wut.«
»Immerhin redet sie noch mit Ihnen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Pluspunkt ist«, entgegnete Tony trocken. Dass die Kabinentür geöffnet wurde, ersparte ihm weitere Erklärungen.
Verschlafen und zerzaust erschien Carol in der Tür. »Gibt es auf diesem Boot ein – oh, Sergeant Ambrose. Ich wusste nicht, dass Sie hier sind.«
»Eben angekommen, Ma’am. Ich hatte gehofft, Sie hier zu finden. Ich habe neue Informationen für Sie beide«, entgegnete er jetzt ganz geschäftsmäßig, da seine neue Chefin im Raum war.
»Gleich«, antwortete Carol. »Tony, gibt es hier so etwas wie eine Toilette?«
»Die Tür links«, sagte er, darauf deutend. Carol warf ihm einen verärgerten Blick zu und verschwand im Kopfende des Bootes. »Eigentlich ist es ein voll ausgestattetes Badezimmer«, erklärte er Ambrose. »Sie wird beeindruckt sein.«
Ambrose schien das zu bezweifeln. »Wenn Sie meinen.«
»Diese neuen Informationen – das wird nichts Gutes sein, oder? Ich habe bemerkt, wie Sie es vermieden haben, ihr oder mir in die Augen zu schauen.«
Ambrose funkelte ihn an: »Fragen Sie besser nicht.« Bewundernd blickte er sich im Bootsraum um. »Das ist wunderschön hier. Ich hätte gerne so ein Boot. Meine Frau, die Kinder und ich – wir könnten mit so einem Ding richtig Spaß haben.«
»Wirklich?« Tony versuchte nicht allzu irritiert zu klingen.
»Aber ja. Wie könnte man so was nicht mögen? Man ist sein eigener Herr, es gibt keine Staus, man kann es locker angehen, hat aber trotzdem allen Komfort, den man braucht.«
»Sie könnten es sich mal ausleihen, wissen Sie?« Tony machte eine großzügige Geste mit der Hand. »Ich benutze es ja kaum. Das könnten Sie ruhig tun.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Aber
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