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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Mittagszeit in die Wohnzimmer der Zuschauer gekommen war. Die Arbeit mit den Pferden brachte viel Bewegung mit sich und hatte sie fit gehalten. Ihr Markenzeichen, die langen, wohlgeformten Beine, sahen noch genauso gut aus wie damals, so versicherte ihr Betsy immer wieder.
    Doch an diesem Abend machte sich Micky keineswegs Gedanken wegen ihres Aussehens. Betsy hatte für ihre geliebten Pferde ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Wenn Johnny Fitzgerald nicht so schnell geschaltet und noch schneller gehandelt hätte, wäre sie von dem schwelenden Dachbalken zerschmettert worden und Micky hätte den einzigen Menschen verloren, der das Leben für sie noch lebenswert machte. Sie waren jetzt seit mehr als fünfzehn Jahren zusammen, und Micky konnte sich ein Leben ohne Betsy gar nicht mehr vorstellen. Es war viel mehr als Liebe, es war eine Lebensgemeinschaft. Sie hatten die gleichen Wertvorstellungen, teilten dieselben Vorlieben, und ihre Fähigkeiten und Schwächen ergänzten sich perfekt. Und heute hätte sie das alles beinahe verloren.
    Die immer gleichen Gedanken und Ängste kreisten in ihrem Kopf und verdrängten alles andere. Ihr war bewusst, dass es Betsy gutging und dass sie in Sicherheit war, oben im Bad, wo sie sich den Rauch von Haut und Haaren schrubbte. Doch Micky fand keine Ruhe. Dem Polizeibeamten, der ihr lauter Fragen stellte, auf die sie keine Antworten wusste, schenkte sie nicht viel Beachtung.
    Ja, sie war überzeugt davon, dass dies Jackos Werk war. Nein, sie hatte seit seiner Flucht nichts von Jacko gehört. In der Tat hatte sie seit Jahren nichts mehr von ihm gehört, und das war auch gut so. Nein, sie wusste nicht, wo er sich im Moment aufhielt. Nein, sie wusste nicht, wer ihm geholfen haben könnte. Er hatte nie viele Freunde gehabt, hatte die Leute immer nur benutzt. Nein, sie hatte an diesem Abend nichts Besonderes gehört oder gesehen. Sie und Betsy hatten mit ein paar Freunden aus dem Nachbardorf Bridge gespielt, als der Alarm losging.
    Micky zitterte bei dem Gedanken daran. Betsy war sofort auf den Beinen gewesen, hatte ihre Karten auf den Tisch geworfen und war zur Tür gerannt. Die Personenschützer von der Polizei hatten sie daran hindern wollen, das Wohnhaus zu verlassen. Sie hatten nicht damit gerechnet, von einer Frau mittleren Alters, die offensichtlich stärker war als die beiden Beamten, zur Seite geschoben zu werden. Micky war ihr nachgerannt, aber da hatte sich einer der Beamten schon gesammelt, hatte sie gepackt und mit sanfter Gewalt ins Haus zurückgedrängt. »Das Feuer könnte ein Ablenkungsmanöver sein«, hatte er ihr zugerufen. »Er könnte versuchen, Sie damit nach draußen zu locken, damit er leichter auf Sie schießen kann.«
    »Schießen ist nicht sein Ding«, hatte Micky zurückgebrüllt. »Zum Schießen braucht man zwei Arme. Er macht nichts, was er nicht gut machen kann.«
    Sie wusste selbst nicht, woher das kam. Bis zu den Ereignissen dieser Woche hatte sie lange nicht mehr an Jacko gedacht. Aber seit seiner Flucht war er in ihrem Leben wieder allgegenwärtig, schien ihr stets über die Schulter zu schauen und ihr zu sagen, was sie alles besser machen könnte. Als dann die Polizei vor ihrer Tür stand und ihr erzählte, was man vermutete, war sie sofort bereit zu glauben, dass sie auf seiner Todesliste ganz oben stand.
    Wenn nicht Betsy und die Pferde gewesen wären, hätte sie die Flucht ergriffen. Daphne, eine ihrer Bridgepartnerinnen, hatte ihr dringend dazu geraten wegzugehen. »Meine Liebe, er ist ein Unmensch. Du darfst dich nicht seiner Bosheit aussetzen. Betsy, sag du es ihr. Sie sollte an einen Ort reisen, an dem er sie nicht findet.«
    Das kam jedoch nicht in Frage. Sie konnte Betsy nicht im Stich lassen. Und abgesehen davon, wie lange hätte sie fortbleiben sollen? Wenn er nach ein, zwei Tagen gefangen wurde, schön und gut. Dann konnte sie wiederkommen. Aber Jacko war sehr einfallsreich. Bestimmt hatte er seine Flucht und das, was danach kam, akribisch geplant. Seine Flucht konnte Monate andauern. Oder ein Leben lang. Und was sollte sie dann machen? Nein, wegrennen war keine Alternative.
    Der Polizist stellte eine weitere Frage, und Micky riss sich zusammen und bat ihn, die Frage zu wiederholen. »Ich habe Sie um eine Liste der Personen gebeten, die hier auftauchen werden, um die Pferde wegzubringen.«
    »Das kann ich machen«, antwortete Betsy, die gerade eben das Zimmer betreten hatte. Nachdem die Rettungssanitäter ihr grünes Licht gegeben hatten, hatte sie

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