Vergeltung
neuer Energie durchströmt, flogen ihre Finger über die Computertastatur. Sie schrieb eine Nachricht an Stacey und forderte sie dringend auf, in der Hochhaussiedlung in Skenby nach einem Eric Fletcher zu suchen, höchstwahrscheinlich im sechzehnten Stockwerk.
Als sie die E-Mail abgeschickt hatte, bemerkte sie, dass eine neue Nachricht von Dr. Grisha Shatalov eingegangen war. »Einen kleinen Moment noch, bitte«, murmelte sie zerstreut.
Der Text der Nachricht lautete: »Paula, wir haben ein abgebrochenes Stück von einem Fingernagel in einer Wunde am Körper des letzten Opfers gefunden. Es kann definitiv nicht vom Opfer selbst stammen. Es kommt so gut wie sicher vom Täter, und es sollte kein Problem sein, damit an seine DNA zu kommen. Das wird ausreichen, um den Mörder zu identifizieren. Ich hoffe, damit kann ich Sie am Samstagabend ein bisschen aufmuntern. Bitte richten Sie Carol meine Beileidswünsche aus, wenn Sie sie sehen. Dr. Grisha.«
Manchmal erreichte eine Ermittlung einen Punkt, an dem es war, als drehe man einen Schlüssel in einem komplizierten Schloss. Ein Riegel öffnete sich, dann der nächste, und dann griff alles ineinander, und die Tür schwang auf. Jetzt und hier, an diesem späten Samstagabend, wusste Paula, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis das Sondereinsatzkommando stolzerfüllt seinen letzten Fall abschließen konnte. Carol konnte hocherhobenen Hauptes ihren Abschied nehmen, im sicheren Wissen, etwas erreicht zu haben, während Blake nur zerstören konnte.
Es würde ein Moment des Triumphs sein.
Ambrose’ Stimme war laut und aggressiv geworden. »Was tut sie? Wer zur Hölle hat Jordan erzählt, wo Vance sich versteckt?«
»Stacey, natürlich«, antwortete Tony, wobei er wesentlich geduldiger und vernünftiger klang, als er sich fühlte.
»Was hat sie sich dabei bloß gedacht, verdammt? Das unterliegt dem Dienstgeheimnis.«
»Und Carol ist ihre Chefin, nicht Sie. Als sie ihr Können einsetzte, um dieses Problem zu lösen, hat sie das für Carol getan, nicht für Sie. Es sollte Sie nicht weiter überraschen, dass sie dem Menschen gegenüber loyal ist, der ihr überhaupt erst die Gelegenheit gegeben hat zu glänzen.«
»Sie müssen Jordan aufhalten«, verlangte Ambrose mit harter, rauher Stimme. »Ich möchte nicht, dass sie sich da einmischt. Er ist zu gefährlich, als dass man ihm alleine entgegentreten kann. Sie müssen sie aufhalten, bevor etwas Schlimmes passiert.«
»Das ist genau der Grund, warum ich gerade die Autobahn entlangrase«, erklärte Tony und versuchte, möglichst gefasst zu klingen, um die Situation ein bisschen zu beruhigen. »Wann fahren Sie los?«
»In den nächsten fünf Minuten. Wann ist sie aufgebrochen?«
»Stacey hat mit ihr gesprochen, unmittelbar nachdem sie mit Ihnen geredet hatte, und dann hat sie mich angerufen. Ich bin jetzt seit fünfzehn Minuten unterwegs.«
»Scheiße. Das ist ein Alptraum.«
»Eines könnten Sie tun«, sagte Tony und lenkte seinen Wagen auf die Überholspur.
»Was?«
»Sie könnten Franklin anrufen und ihn bitten, sie abzufangen.«
Ambrose schnaubte. »Das soll eine Lösung sein? Es wird in einem Showdown zwischen Jordan und Franklin enden, während Vance durch die Hintertür abhaut und ruck, zuck über alle Berge ist.«
»Wie Sie meinen«, gab Tony zurück. »Ich versuche ja nur, ihr Leben zu retten, das ist alles.« Er beendete das Gespräch und holte weitere fünf Stundenkilometer aus seinem protestierenden Wagen heraus. »Oh Carol«, stöhnte er. »Bitte, versuch nicht, die Heldin zu spielen. Warte einfach ab. Bitte.«
Sam Evans hatte nie die Lust daran verloren, raus auf die Straße zu gehen und mit den Menschen zu sprechen. Paulas Begabung für Verhöre hatte er nicht, aber er war sehr gut darin, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, und wusste immer, wann er seinen Charme spielen lassen oder Druck ausüben musste. Er konnte problemlos auf seine frühere Sprechweise, die der Arbeiterklasse, zurückgreifen, und das half immer, wenn man es mit Leuten von ganz unten zu tun hatte. Wenn Sam anfing zu reden, hielt man ihn automatisch für einen, der weder herablassend noch voller Vorurteile war.
Als Paula die Hintergrundinformationen weitergeleitet hatte, die sie von der Kollegin der Sitte bekommen hatte, war der nächste logische Schritt, Kerry Fletcher zu finden und in Sicherheit zu bringen. Paula musste im Büro bleiben, die Fäden in der Hand halten und alle Informationen aufstöbern, die dabei
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