Vergeltung
vielleicht würde er heute mal eine Ausnahme machen. Es gab dort bestimmt eine ruhige Ecke, wo er einen Kaffee trinken und online gehen konnte.
In letzter Sekunde bog er in die Einfahrt und parkte den Wagen. Er schnappte sich seine Laptoptasche und ging hinein. Es war überraschend viel Betrieb in dem Schnellimbiss, hauptsächlich waren es Teenager, die deutlich zu jung waren, um auch vom kurzsichtigsten Barmann der Welt Alkohol ausgeschenkt zu bekommen. Ihr verzweifeltes Bedürfnis, cool zu sein, hatte sie aus ihren Elternhäusern vertrieben, wo jetzt ohne Zweifel als selbstverständliche Unterhaltung am Samstagabend das Fußballspiel des Tages im Fernseher lief. Im unerbittlich grellen Licht des Schnellrestaurants, bewaffnet mit Milchshakes und Cola, schlurften sie durch die Gegend. Die Jungen trugen ihre Baseballkappen in jedem erdenklichen Winkel, nur nicht dem herkömmlichen, und die Mädchen zeigten erstaunlich viel Haut. Vance, der Teenager sehr zu schätzen wusste, wurde bei dem Anblick mulmig. An Mädchen, die sich auf so geschmacklose Art zur Schau stellten, hatte er kein Interesse. Was gab es da noch zu erobern, wenn sie alles bereits umsonst hergaben?
Vance kaufte sich eine Tasse Kaffee und suchte sich einen Tisch in der abgelegensten Ecke. Es war zwar in der Nähe der Toiletten, doch er konnte den Bildschirm so drehen, dass neugierige Augen keine Chance hatten. Er ignorierte sein Heißgetränk, fuhr den Computer hoch und ging seine Kameraseiten durch. Bei Tony Hills Haus war überhaupt nichts zu sehen. Das Eingangstor war vernagelt, und man hatte ein Schild mit der Aufschrift »Lebensgefahr! Betreten verboten!« angebracht. Die weiteren Kameras zeigten ihm den Grund dafür. Das Gebäude war eine Ruine. Kein Dach, keine Fenster, nur noch eine leere, teilweise eingestürzte Hülle.
Beim dritten Standort hätte er am liebsten den Bildschirm angeschrien, doch er wusste, dass er hier drin ruhig bleiben musste. Er wollte auf gar keinen Fall Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Teenager kümmerten sich zwar typischerweise nur um sich selbst, doch ein einziger scharfäugiger Beobachter reichte ja bereits aus, um ihm jede Menge Probleme zu bereiten. Trotzdem brachte es ihn zur Weißglut, sehen zu müssen, dass der Stall noch stand. Noch während er zuschaute, kam Betsy zusammen mit einem bewaffneten Polizisten ins Bild. Zwei Spaniels trotteten hinter ihr her. Sie gestikulierte und wies auf verschiedene Stellen des relativ unbeschädigten Stallgebäudes. Offenbar unterhielten sich die beiden angeregt. Die Schlampe schien überhaupt nicht zu leiden. Er wollte sie am Boden haben, weinend und sich die Haare raufend, bis ins Mark verletzt. Beim nächsten Mal sollte er vielleicht die Hunde erledigen. Ihnen die Kehlen durchschneiden und sie auf Mickys und Betsys Bett legen. Das würde ihnen zeigen, wer hier die Macht hatte. Oder vielleicht sollte er sich einfach Betsy schnappen.
Er atmete tief durch und klickte auf das letzte Kameraset. Im Uhrzeigersinn zeigte es ihm Einfahrt und Frontalansicht einer freistehenden Villa, die unverkennbar nach Nordengland aussah. Es war kein großes Haus, es sah eher nach drei Schlafzimmern und vielleicht drei weiteren Wohnräumen aus. Es war jedoch solide gebaut und wirkte gepflegt. Vor der freistehenden Garage, die aus Holz gebaut war, stand ein Mercedes-Zweisitzer in der Einfahrt.
Das nächste Bild zeigte eine moderne Küche, die die makellose, unbenutzte Ausstrahlung eines Ortes hatte, an dem höchstens mal ein Imbiss vom Feinkosthändler aufgewärmt wurde. Die Lichter unter den Hängeschränken waren eingeschaltet und warfen einen kalten Glanz auf die Arbeitsflächen aus hellem Holz. Hinter der Küche war schemenhaft ein Wintergarten in der Dunkelheit auszumachen.
Die dritte Kamera war offenbar in der Ecke des Treppenabsatzes montiert. Dank eines Weitwinkelobjektivs konnte er zum Ende der Treppe hochsehen und eine offene Tür erkennen, die in ein Schlafzimmer führte, und ebenso nach unten auf die Eingangstür blicken, deren farbiges Glas schwach leuchtete, weil Licht von den Straßenlaternen hereinfiel.
Das vierte Bild zeigte ein Wohnzimmer, das nicht sonderlich wohnlich wirkte. Nirgendwo lag etwas herum. Es gab keine Bücher oder Zeitschriften, lediglich eine Wandnische, in der DVDs aufgereiht standen. Das Herzstück des Raumes war ein langes, breites Sofa, fast so groß wie ein Doppelbett, auf dem jede Menge Kissen aufgetürmt waren. Davor stand ein mit aufwendigen
Weitere Kostenlose Bücher