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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ordentlich daran gezogen.
    »Entkommen? Wie konnte das passieren, verdammt noch mal?« Eine Woge des Zorns ergriff ihn, in Sekunden war er auf hundertachtzig.
    »Er hat sich verkleidet und die Identität eines anderen Häftlings angenommen, der sich für Freigang im Resozialisierungsprogramm qualifiziert hatte. Er sollte den Tag in einer Fabrik der Stadt verbringen. Die Sozialarbeiterin, die ihn hätte begleiten sollen, kam nicht zur Arbeit, und Vance hat wohl den Taxifahrer überwältigt, der ihn zum Einsatz in der Fabrik fahren sollte, und setzte sich dann im Taxi ab.«
    »Herrgott noch mal«, rief Tony. »Warum, um Himmels willen, hatte er denn mit der Art von Gefangenen zu tun, die für das Resozialisierungsprogramm geeignet waren? Wie konnte das geschehen?«
    Lambert räusperte sich. »Er ist seit ein paar Monaten in der therapeutischen Abteilung in Oakworth. Nach allem, was man hört, ein vorbildlicher Gefangener. Seit Jahren.«
    Tony öffnete wiederholt den Mund und suchte nach Worten, die er nicht fand.
    »Es gab keine Hinweise darauf, dass Vance irgendetwas plante«, fuhr Lambert ruhig und unaufgeregt fort.
    Da hatte Tony seine Stimme wieder. »Piers, was zum Teufel hatte Vance in einer therapeutischen Abteilung zu suchen? Er hat lebenslänglich bekommen, Himmelherrgott! Warum nimmt er Leuten, die ihre Verbrechen bewältigt haben, in einem Rehabilitationsprogramm den Platz weg? Leuten, die eine Freilassung anstreben? Die eine Zukunft außerhalb des Gefängnisses haben? Antworten Sie mir, verdammt noch mal. Wer hat ihn in eine Situation gebracht, die er ausnutzen konnte? Eine Situation, die er für seine Zwecke manipulieren konnte? Für jemanden wie ihn der perfekte Zustand, den er ausschlachten konnte.«
    Lambert seufzte tief. »Es wird natürlich eine Untersuchung geben. Der ihm zugeteilte Psychologe hat sich für ihn verwendet, damit er in die therapeutische Abteilung kam. Er ist seit zwei Jahren Kategorie C, verstehen Sie.«
    »Kategorie C?«, explodierte Tony. »Nach dem, was er getan hat? Weiß Gott, wie viele junge Mädchen er verstümmelt und ermordet hat, und er wird von Kategorie A auf C heruntergestuft?«
    »Genau genommen sitzt er eine lebenslängliche Haftstrafe für einen einzigen Mord ab …«
    »Wenn Sie den Mord an einer Polizistin nicht berücksichtigen«, fuhr Tony fort und ging nicht auf Lamberts Antwort ein. »Eine Polizeibeamtin, die weitere Mädchenmorde verhindern wollte.«
    »Trotzdem, wir können nur das bestrafen, was wir beweisen können. Und das Berufungsgericht befand, dass die Verurteilung wegen der Sache mit Detective Constable Bowman nicht zu halten war. Wie gesagt, Vance war ein vorbildlicher Gefangener. Der Direktor des Gefängnisses, wo er vorher war, hat es so lange hinausgezögert, wie er konnte, aber es gab keine Gründe dafür, dass die Behörden die Herabstufung hätten ablehnen können.« Tony konnte eine gewisse Frustration in Lamberts Stimme ausmachen und spürte, dass er mit seiner Wut nicht allein war. »Sein Anwalt hat uns mit einer Klage wegen Menschenrechtsverletzung gedroht, und wir wissen ja beide, wie das gelaufen wäre. Also wurde Vance auf Kategorie C zurückgestuft und nach Oakworth verlegt.«
    »Dieser Psychologe – war das eine Frau?«
    »Zufällig ja.« Lambert klang erschrocken. »Aber äußerst tüchtig.«
    »Und äußerst empfänglich für Jacko Vance’ Charisma«, entgegnete Tony deprimiert. »Wenn man mich gefragt hätte, hätte ich darauf bestanden, dass keine weiblichen Angestellten direkten Kontakt mit Vance haben sollten. Er ist clever, er ist charmant und hat den Dreh raus, wie er Männern und Frauen, aber besonders Frauen, das Gefühl vermitteln kann, sie seien für ihn der einzige Mensch auf der Welt. Er hat bestimmt alle Register gezogen, seine Reue beteuert und dass er alles wiedergutmachen wolle, und wie konnte es da schaden, ihn in eine Abteilung zu verlegen, wo er sich mit den Problemen aus seiner Vergangenheit auseinandersetzen konnte? Selbst wenn er nie wieder in ein Leben in der Gesellschaft zurückkehren würde, schuldete das System ihm doch dieses kleine Entgegenkommen.« Tony stieß einen Laut der Empörung aus. »Ich könnte den Text dazu schreiben, Piers.«
    »Ich bin sicher, dass Sie das könnten, Tony. Aber leider gibt es keine Möglichkeit, denen, die einen Kriminellen zur Strecke bringen, Einfluss darauf zu geben, was im Vollzugssystem geschieht.«
    Tony sprang auf und begann, auf und ab zu gehen. »Und es ist ihm

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