Vergeltung

lächelte ihnen entgegen. Seine warme Stimme mit dem weichen kanadischen Akzent klang durch die billigen Lautsprecher blechern. »Wenn es um einen mutmaßlichen Tod durch Ertrinken geht, überprüfen wir zuerst, ob es sich tatsächlich um Ertrinken handelt. Besonders wenn das Opfer, wie dieses hier, drogenabhängig war. Denn eine Überdosis kann manchmal wie Ertrinken aussehen, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Aber ich kann Ihnen mit Sicherheit sagen, obwohl Suzanne Black Heroin nahm, war dies kein Tod aufgrund einer Überdosis. Wir müssen also herausfinden, ob sie dort ertränkt wurde, wo man sie fand. Habe ich schon mal über Diatomeen gesprochen? Egal, ich werde es Ihnen noch mal erklären. Diatomeen sind mikroskopisch kleine Wesen, so ähnlich wie Plankton. Sie haben eine Zellenhülle aus Siliziumdioxid und leben im offenen Wasser. In Süßwasser und Salzwasser. Seen und Flüssen. Jedes Gewässer hat andere Diatomeen. Sie sind wie ein Fingerabdruck und verändern sich auch je nach Jahreszeit.« Er lächelte breiter. »Sie sind fasziniert, stimmt’s? Also gut, ich komme zum Kern der Sache. Wenn man ertrinkt, geraten die Diatomeen in das Gewebe. In die Lunge, die Nieren, das Knochenmark … Wir lösen das Gewebe in Säure auf, und was übrig bleibt, zeigt uns, in welchem Fluss oder See das Opfer ertrunken ist. Wir haben also die Analyse gemacht, und es gibt keine Diatomeen in Suzanne Blacks Körper. Das kann nur eins bedeuten. Sie starb nicht im Kanal. Sondern in Leitungswasser. Oder in gefiltertem Wasser, vielleicht. Wir haben ihre Lunge getestet und fanden Spuren von Seife, was meiner Meinung nach heißt, dass nur eine Badewanne oder ein tiefes Waschbecken in Frage kommt. Ich hoffe, dass dieser kleine Vortrag hilfreich war.«
    Carol schüttelte den Kopf. »Dieser Labersack. Eines Tages werde ich die Staatsanwaltschaft bitten, eins seiner munteren kleinen Videos den Geschworenen vorzuspielen. Aber die Informationen sind wirklich nützlich. Wir suchen also keinen, der sie am Kanal überfallen hat, sondern wir müssen herausfinden, wo er sie zum Baden hingebracht hat.«
    »Vielleicht hat er sie mit zu sich nach Haus genommen«, schlug Kevin vor.
    »Er scheint überlegt vorzugehen«, sagte Carol. »Ich weiß nicht, ob er dieses Risiko eingegangen wäre. Wir müssen herausbekommen, wo sie mit ihren Freiern hinging. Also gut, mach weiter, Paula.«
    »Sie war bekleidet, als sie gefunden wurde«, fuhr Paula fort. »Sie war nicht beschwert, aber die Leiche verfing sich in dem üblichen Müll im Kanal, war also schon einige Zeit im Wasser. Zuerst hat man die Tätowierung nicht entdeckt, weil die Haut bereits so degeneriert war.«
    Carol zuckte bei dem Wort zusammen. Auch wenn Grisha selbst es gesagt hätte, kam es ihr doch vor, als sollte ein solches Adjektiv nicht für einen menschlichen Körper verwendet werden. »Aber es besteht kein Zweifel?«
    Paula schüttelte den Kopf. »Dr. Shatalov hat sich klar ausgedrückt. Es ist eine Tätowierung, die nach Eintritt des Todes ausgeführt wurde, und sie sieht ganz ähnlich aus wie die von Kylie und unserer Jane Doe.«
    »Wenn sie in einer Badewanne ertrank, gibt es die Möglichkeit, dass jemand sie mit dem Mörder gesehen hat. Er musste sie schließlich irgendwo hinbringen, wo es eine Badewanne gibt. Ein Haus, ein Hotel oder so etwas Ähnliches«, vermutete Chris.
    »Stimmt. Wir müssen ihr Foto in den Lokalnachrichten verbreiten lassen und sehen, was das bringt. Kevin, sprechen Sie mit dem Mitbewohner, Nicky. Fragen Sie, ob er Fotos von ihr hat.« Carol runzelte die Stirn und überlegte. »Lassen wir doch lieber vorerst diese Verbindung unerwähnt, wenn es geht. Penny Burgess hat schon herumgeschnüffelt, aber Dr. Hill hat sie abblitzen lassen. Wenn sie mit jemandem von euch redet, dann sagt nichts.« Sie warf Kevin einen deutlichen Blick zu, aber er kritzelte demonstrativ in seinem Notizbuch. »Wir lassen Superintendent Reekie die Pressekonferenz übernehmen, und unser Team bleibt vorerst im Hintergrund, sollen die Medien doch denken, es sei sein Fall. Wenn unser Mörder meint, dass er unserer Aufmerksamkeit entgangen ist, wird er vielleicht aus der Deckung kommen.«
    »Oder einen weiteren Mord begehen«, spekulierte Paula und ließ die Schultern hängen. »Weil wir nämlich bis jetzt fast nichts haben, was man als Spur bezeichnen könnte.«
    »Gibt es die Möglichkeit, dass Tony sich das mal anschauen könnte?« Alle erstarrten bei Kevins Frage. Sam hörte auf