Vergeltung
was geht, Constable«, meinte Spencer. Paula musste ihm gute Noten geben für sein forsches Auftreten. Sie selbst hätte sich nicht getraut, in Carol Jordans persönliches Hoheitsterritorium einzudringen und dann noch eine dicke Lippe zu riskieren.
Jetzt entschloss sich Carol, hinter der Barriere von Bildschirmen hervorzutreten. »In meinem Einsatzzentrum werden Sie das nicht tun«, erklärte sie. »Mein Büro ist im Moment besetzt.« Sie kam näher und ließ weniger als einen halben Meter Abstand zwischen ihnen. Obwohl sie gut zwanzig Zentimeter kleiner war als DI Spencer, wirkte sie deutlich eindrucksvoller. Sie streifte ihn mit einem eisigen Blick. Spencer wirkte wie jemand, der sich mit seinen peinlichsten Jugenderinnerungen konfrontiert sah. »Normalerweise würde ich niemals daran denken, dieses Gespräch vor Mitarbeitern zu führen«, sagte sie mit einer Stimme, die so spitz war wie ein Eiszapfen. »Aber ich muss mich ja normalerweise auch nicht mit jemandem abgeben, der es geschafft hat, jeden einzelnen dieser Mitarbeiter zu beleidigen. Unter den gegebenen Umständen erscheint es mir fair, dass sie dabei sind.«
»Es tut mir leid, Ma’am«, sagte Spencer. »Natürlich hatte ich keine Ahnung, dass meine Bemerkungen zu hören waren.«
»Ich würde sagen, das dürfte Ihre kleinste Sorge sein«, antwortete Carol. »Ich bin seit fast sieben Jahren Mitglied der Polizei von Bradfield und war meistens stolz darauf. Was ich heute von Ihnen gehört habe, machte mich zum ersten Mal froh, dass ich gehe. Dies hier sind wahrscheinlich die besten Detectives, mit denen Sie jemals arbeiten werden. Und Sie haben für sie nichts als miese Vorurteile übrig.«
Spencer zuckte zusammen. »Es sollte ein Witz sein.«
Carol verdrehte die Augen, verärgert und zweifelnd zugleich. »Halten Sie mich für so dumm? Komme ich Ihnen vor wie jemand, der sagt: ›Na gut, das geht dann in Ordnung?‹ Ist es etwa witzig, vor jüngeren Mitarbeitern Ignoranz und Engstirnigkeit zu demonstrieren? Und so zu tun, als sei es ganz in Ordnung, Ihre Kollegen wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung zu verunglimpfen?«
Spencer blickte starr auf eine Stelle über Jordans Kopf, als könne ihm das helfen, ihrer Empörung zu entgehen. »Ich hatte unrecht, Ma’am. Es tut mir leid.«
»Wenn dieser Fall durch ist, werden Sie viel Zeit haben, sich zu überlegen, wie leid es Ihnen tut. Ich werde mit dem Präsidium reden und dafür sorgen, dass Sie an jedem Kurs für Gleichberechtigung und multikulturelle Zusammenarbeit teilnehmen, so lange, bis Sie verstehen, warum Ihr Benehmen im Jahr 2011 völlig inakzeptabel ist. Und um damit gleich anzufangen, werden Sie sich, bevor Sie von hier weggehen, bei jedem Mitglied dieses Teams persönlich entschuldigen.«
Spencer war so schockiert, dass er ihr in die Augen sehen musste. »Ma’am …«
»Für Sie bin ich Detective Chief Inspector Jordan, Spencer. Ich bin schließlich nicht die verdammte Queen. Also, Sie haben bei meinem Team viel Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Sie sollten sich entschuldigen, bevor Sie gehen. Aber inzwischen haben wir Informationen, die uns weiterbringen könnten. Wir haben das dritte Opfer identifiziert.« Sie drehte sich auf dem Absatz um. »Stacey?«
Stacey rollte mit ihrem Stuhl hinter den Monitoren hervor mit einem Tablet PC in Händen. »Leanne Considine. Sie wurde in Cannes wegen Aufforderung zur Unzucht verhaftet.«
»In Cannes? Cannes in Frankreich, meinen Sie?« Spencer schien verwirrt und verwundert.
»Ich kenne sonst keins«, sagte Stacey.
»Aber woher wissen Sie das? Wie haben Sie das rausgefunden?«
Stacey warf Carol einen fragenden Blick zu. »Okay«, sagte Carol.
»Unser Sondereinsatzteam hält lockere Verbindung mit unseren Kollegen im Ausland«, erklärte Stacey. »Ich habe Kontakte in siebzehn europäischen Behörden, die für mich ihre Datenbank mit Fingerabdrücken durchsuchen. Das liefert uns zwar nichts mit Beweiskraft, weil es inoffiziell ist, aber manchmal hilft es, weil es uns zeigt, wo wir suchen sollten. Ihre Fingerabdrücke und ihre DNA tauchten in unserer Datenbank nicht auf, deshalb versuchte ich es im Ausland. Sie wurde in Frankreich festgenommen. Vor vier Jahren allerdings schon, das ist also nicht gerade der aktuellste Hinweis.« Stacey fixierte Spencer und lächelte grimmig. »Nicht schlecht für ein Schlitzauge, was?«
Spencers Lippen wurden zu einer dünnen Linie, und er atmete schwer durch die Nase. Carols Lächeln war fast
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