Vergessene Stimmen
Tagebuch geführt hat, bis Sie eines in ihrem Zimmer fanden.
M URIEL L OST : Das hätte ich übrigens gern wieder. Kann ich das Tagebuch wiederhaben?
G REEN : Solange das Ermittlungsverfahren läuft, müssen wir es einbehalten, aber irgendwann bekommen Sie es zurück.
G ARCIA : Im Tagebuch gibt es mehrere Hinweise auf eine Person, die als MWL bezeichnet wird. Diese Person würden wir gern identifizieren und mit ihr sprechen.
M URIEL L OST : Spontan fällt mir niemand ein, auf den diese Abkürzung zutreffen könnte.
G REEN : Wir haben im Jahrbuch der Schule nachgesehen. Dort gibt es einen Michael Lewis. Aber sein zweiter Vorname ist Charles. Wir glauben, die Initialen waren ein Kode oder eine Abkürzung. Sie könnten für »Meine wahre Liebe« stehen.
M URIEL L OST : Demnach gab es offensichtlich jemanden, von dem wir nichts wussten, von dem sie uns nichts erzählt hat.
R OBERT L OST : Ich kann das einfach nicht glauben. Sie wollen uns also sagen, wir kannten unsere Tochter gar nicht wirklich.
G ARCIA : So Leid es mir tut, Bob, aber manchmal richtet so ein Fall tiefgreifenden Schaden an. Ungeachtet dessen besteht unsere Aufgabe darin, der Sache nachzugehen – egal, wohin uns das Ganze führt. Und das ist die Richtung, in die der Fall im Moment tendiert.
G REEN : Wir haben gar keine Wahl. Wir müssen diesem Aspekt bei unseren Ermittlungen nachgehen und herausfinden, wer MWL ist. Und das heißt, wir müssen Freunde und Bekannte Ihrer Tochter vernehmen. Und das wird leider zwangsläufig mit sich bringen, dass sich das Ganze herumspricht.
R OBERT L OST : Das ist uns klar, Detective. Damit werden wir fertig werden müssen. Wie wir an dem Tag, an dem Sie zum ersten Mal zu uns gekommen sind, bereits gesagt haben: Tun Sie, was Sie tun müssen. Finden Sie die Person, die das getan hat.
G ARCIA : Danke, Sir. Das werden wir.
(Ende des Gesprächs: 14.40 Uhr)
Bosch las die Niederschrift ein zweites Mal, wobei er sich jetzt auf seinem Block Notizen machte. Anschließend nahm er sich drei förmlichere Vernehmungsprotokolle vor. Diese Befragungen waren mit Becky Losts drei engsten Freundinnen, Tara Wood, Bailey Koster und Grace Tanaka, durchgeführt worden. Allerdings erklärten alle drei Mädchen – zum damaligen Zeitpunkt waren sie noch Mädchen –, weder von Beckys Schwangerschaft gewusst zu haben noch von der geheimen Beziehung, aus der sie hervorgegangen war. Alle drei sagten aus, ihre Freundin in der ersten Ferienwoche nicht gesehen zu haben, weil sie nicht ans Telefon ging, und wenn sie bei ihren Eltern anriefen, sagte ihnen Muriel Lost, ihre Tochter sei krank. Tara Wood, die sich mit Becky den Job als Aushilfe teilte, sagte, ihre Freundin sei in den Wochen vor ihrem Tod mürrisch und wenig mitteilsam gewesen, aber sie habe nicht gewusst, warum, weil Becky nicht darüber reden wollte, was mit ihr los sei.
Der letzte Teil der Mordakte war die Mediensammlung. Darin hatten Garcia und Green die Zeitungsmeldungen gesammelt, die in der Anfangsphase des Ermittlungsverfahrens erschienen waren. In der Daily News wurde ausführlicher über den Mord berichtet als in der Times . Das war darauf zurückzuführen, dass die News im San Fernando Valley einen großen Leserstamm hatte, während die Times das Valley wie ein unerwünschtes Stiefkind behandelte und die Nachrichten aus diesem Teil der Stadt in den Mittelteil verbannte.
Über Becky Losts ursprüngliches Verschwinden gab es keine Zeitungsmeldungen. Bei der Presse hatte man die Sache offenkundig ähnlich gesehen wie bei der Polizei. Sobald jedoch die Leiche entdeckt worden war, erschienen mehrere Berichte über die Ermittlungen, das Begräbnis und die Auswirkungen, die der Tod des jungen Mädchens auf ihre Schule hatte. Es gab sogar einen stimmungsvollen Artikel über den Island House Grill. Dieser Beitrag war in der Times erschienen und stellte anscheinend einen Versuch dar, den Fall der Westside-Leserschaft nahe zu bringen. Ein Restaurant in Malibu war etwas, wozu auch die Westsider einen Bezug herstellen konnten.
Beide Zeitungen brachten die Tatwaffe mit einem Einbruch in Verbindung, der sich einen Monat vor dem Mord zugetragen hatte, aber keine kam auf den antisemitischen Hintergrund zu sprechen. Ebenso wenig berichteten die Zeitungen über die Blutspuren, die an der Tatwaffe gefunden worden waren. Bosch nahm an, dass die Blut- und Gewebespuren das Ass im Ärmel der Ermittler gewesen waren, das Beweismittel, das sie zurückhielten, um sich den damit
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