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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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dem Schrauber lässig den Arm aus und klatschte sich mit Mackey ab. Er sagte etwas zu Mackey, worauf dieser kurz bei ihm stehen blieb.
    »Ich glaube, er erzählt ihm gerade von dem Anruf«, sagte Bosch. »Mackey scheint sich deswegen allerdings keine Sorgen zu machen. Er hat gerade sein Handy rausgeholt. Er ruft die Person an, von der er annimmt, dass sie ihn angerufen hat.«
    Mackeys Lippen lesend, sagte Bosch: »Hey, hast du gerade angerufen?«
    Mackey beendete das Gespräch rasch.
    »Schätze nicht«, sagte Bosch.
    Mackey steckte das Handy wieder ein.
    »Er hat es nur bei einer Person probiert«, sagte Rider. »Einen großen Bekanntenkreis scheint er nicht zu haben.«
    »Der Name auf seinem Hemd ist Ro«, sagte Bosch. »Wenn ihm sein Kollege erzählt hat, dass der Anrufer nach Roland verlangt hat, könnte er es auf die einzige Person eingeengt haben, die ihn so nennt. Vielleicht war es sein lieber alter Vater, der Schweißer.«
    »Und was macht er jetzt?«
    »Ich kann ihn nicht mehr sehen. Er ist wohl nach hinten gegangen.«
    »Vielleicht sollten wir uns hier lieber verziehen, bevor er noch nach uns Ausschau hält.«
    »Ach was. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass er wegen eines Anrufs gleich denkt, nach siebzehn Jahren könnte jemand hinter ihm her sein?«
    »Nein, wegen Becky Lost natürlich nicht. Mir macht eher Sorgen, worin er im Moment gerade verwickelt sein könnte. Vielleicht platzen wir gerade mitten in etwas rein, von dem wir nichts wissen.«
    Bosch legte das Fernglas beiseite. Sie hatte Recht. Er ließ den Motor an.
    »Okay, wir haben ihn gesehen«, sagte er. »Verschwinden wir lieber. Fahren wir zu Muriel Lost.«
    »Und was ist mit Panorama City?«
    »PC kann warten. Wir wissen beide, dass er nicht mehr unter dieser Adresse wohnt. Das nachzuprüfen ist reine Formsache.«
    Er fuhr rückwärts aus der Lücke.
    »Meinst du, wir sollten Muriel Lost vorher anrufen?«, fragte Rider.
    »Nein. Lass uns einfach bei ihr klingeln.«
    »Darin sind wir wahre Meister.«

 
     
     
     
     
     
     
     
     
    12
    In zehn Minuten waren sie da. Die Gegend, in der Becky Lost gelebt hatte, wirkte immer noch freundlich und sicher. Der Red Mesa Way war breit, mit einem Bürgersteig auf beiden Seiten und vielen Schatten spendenden Bäumen. Die meisten Häuser waren im Ranchstil erbaut und nahmen auf den großen Grundstücken entsprechend viel Platz ein. In den 60er Jahren waren es die großen Grundstücke gewesen, die die Leute in die Nordwestecke von Los Angeles gelockt hatten. Vierzig Jahre später waren die Bäume richtig groß geworden, und dem Viertel haftete etwas Gewachsenes an.
    Das Haus der Losts war eins der wenigen, die ein Obergeschoss hatten. Trotzdem war es noch ein typisches Ranchhaus, aber das Dach ragte über die Doppelgarage hinaus. Aus der Mordakte wusste Bosch, dass Beckys Zimmer über der Garage nach hinten heraus lag.
    Das Garagentor war geschlossen. Nichts deutete darauf hin, dass jemand zu Hause war. Sie parkten in der Einfahrt und gingen zur Eingangstür. Als Bosch auf den Klingelknopf drückte, konnte er einen Glockenton durch das Innere hallen hören, einen einzigen Ton, der ihm sehr weit weg und sehr einsam vorkam.
    Eine Frau in einem formlosen blauen Überziehkleid, das ihren ähnlich formlosen Körper zu verbergen half, kam an die Tür. Sie trug flache Sandalen. Das Rot, in dem ihr Haar gefärbt war, hatte einen zu starken Orangestich. Das Ganze sah nach einem missglückten Selbstversuch aus, aber entweder war ihr das nicht bewusst, oder es war ihr egal. Sobald sie die Tür öffnete, schoss eine graue Katze durch die Öffnung in den Vorgarten hinaus.
    »Lass dich nicht überfahren, Smoke!«, rief die Frau. Erst dann sagte sie: »Ja, bitte?«
    »Mrs. Lost?«, fragte Rider.
    »Ja, was gibt’s?«
    »Wir sind von der Polizei. Wir würden gern mit Ihnen über Ihre Tochter sprechen.«
    Sobald Rider das Wort »Polizei« gesagt hatte und noch bevor sie zu »Tochter« kam, riss Muriel Lost beide Hände an ihren Mund und reagierte so, als wäre das der Moment, in dem sie erfuhr, dass ihre Tochter tot war.
    »O mein Gott! O mein Gott! Sagen Sie bloß, Sie haben ihn. Bitte sagen Sie mir, Sie haben dieses Schwein geschnappt, das mir meinen kleinen Liebling genommen hat.«
    Rider streckte tröstend eine Hand nach der Schulter der Frau aus. »So einfach ist es leider nicht, Ma’am. Dürften wir vielleicht kurz reinkommen?«
    Muriel Lost machte einen Schritt zurück und ließ sie eintreten. Es schien, als

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