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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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musste.
    »Das können wir nicht sagen, weil wir es selber nicht wissen, Mrs. Lost«, sagte Bosch. »Denken Sie einfach darüber nach, und geben Sie Bescheid, wenn es Ihnen wieder einfällt.«
    Sie nickte traurig, so, als bedauerte sie eine weitere verpasste Gelegenheit.
    »Mrs. Lost, was machen Sie beruflich?«, fragte Rider.
    Das schien die Frau von ihren Erinnerungen und Wünschen zurückzuholen.
    »Ich verkaufe alles Mögliche«, sagte sie sachlich. »Übers Internet.«
    Sie warteten auf weitere Auskünfte, erhielten aber keine.
    »Tatsächlich?«, sagte Rider. »Was verkaufen Sie denn so alles?«
    »Was ich gerade finden kann. Ich gehe zu Haushaltsauflösungen. Dort finde ich alles Mögliche. Bücher, Spielsachen, Kleidung. Die Leute kaufen alles. Und sie zahlen jeden Preis. Heute Morgen habe ich zwei Serviettenringe verkauft – für fünfzig Dollar. Sie waren sehr alt.«
    »Wir möchten auch Ihrem Mann das Foto zeigen«, sagte Bosch. »Wissen Sie, wo wir ihn finden können?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Irgendwo unten im Spielzeugland. Ich habe schon sehr lange nichts mehr von ihm gehört.«
    Ein bedrückender Moment der Stille verstrich. Die meisten Obdachlosenasyle in Downtown Los Angeles konzentrierten sich auf den so genannten Toy District, mehrere Häuserblocks mit Spielzeugherstellern und -großhändlern sowie einigen Einzelhandelsgeschäften. Es war nicht ungewöhnlich, Obdachlose in den Eingängen von Spielwarenläden schlafen zu sehen.
    Was ihnen Muriel Lost damit sagen wollte, war, dass ihr Mann in der Welt menschlichen Treibguts verschollen war. Er war vom Prominentenwirt zum Obdachlosen abgestürzt. Mit einer Einschränkung. Er hatte hier immer noch ein Zuhause. Aber wegen dem, was passiert war, konnte er nicht bleiben. Seine Frau dagegen würde nie von hier weggehen.
    »Wann haben Sie sich scheiden lassen?«, fragte Rider.
    »Wir haben uns nicht scheiden lassen. Wahrscheinlich dachte ich die ganze Zeit, Robert würde eines Tages wieder zu sich kommen und merken, dass er vor dem, was uns zugestoßen ist, nicht weglaufen kann, selbst wenn er noch so weit rennt. Ich dachte, er würde das irgendwann einsehen und wieder nach Hause kommen. Aber bisher ist das nicht passiert.«
    »Glauben Sie, dass Sie alle Freunde Ihrer Tochter kannten?«, fragte Bosch.
    Darüber dachte Muriel Lost eine Weile nach.
    »Bis zu dem Morgen, an dem sie verschwand, war ich davon überzeugt. Aber dann erfuhren wir Verschiedenes. Sie hatte Geheimnisse vor uns. Ich glaube, das ist eins der Dinge, die mich am meisten belasten. Nicht, dass sie Geheimnisse vor uns hatte, sondern dass sie glaubte, sie müsste welche vor uns haben. Ich glaube, alles wäre vielleicht anders gekommen, wenn sie damit zu uns gekommen wäre.«
    »Meinen Sie damit die Schwangerschaft?«
    Muriel Lost nickte.
    »Wie kommen Sie darauf, dass das mit dem zusammenhängen könnte, was ihr zugestoßen ist?«
    »Nur das Gefühl einer Mutter. Beweise habe ich dafür keine. Ich glaube einfach nur, dass damit alles losging.«
    Bosch nickte. Aber er konnte es der Tochter nicht verdenken, dass sie Geheimnisse gehabt hatte. Als Bosch in diesem Alter gewesen war, war er bereits ganz auf sich allein gestellt gewesen, ohne leibliche Eltern. Er hatte keine Ahnung, wie sein Verhältnis zu ihnen gewesen wäre.
    »Wir haben mit Commander Garcia gesprochen«, sagte Rider. »Er hat uns erzählt, dass er Ihnen vor Jahren das Tagebuch Ihrer Tochter zurückgegeben hat. Haben Sie es noch?«
    Muriel Lost sah sie bestürzt an.
    »Ich lese jeden Abend darin. Sie werden es mir doch nicht wegnehmen? Es ist meine Bibel!«
    »Wir müssten es uns kurz ausleihen, um es kopieren zu lassen. Eigentlich hätte Commander Garcia schon damals eine Kopie davon machen sollen, aber das hat er nicht getan.«
    »Ich will es auf keinen Fall verlieren.«
    »Das werden Sie auch nicht, Mrs. Lost. Das verspreche ich Ihnen. Wir kopieren es und geben es Ihnen umgehend zurück.«
    »Wollen Sie es jetzt gleich mitnehmen? Es ist neben meinem Bett.«
    »Wenn es möglich wäre, ja.«
    Muriel Lost stand auf und verschwand in einen Flur, der in die linke Hälfte des Hauses führte. Bosch sah Rider an und zog fragend die Augenbrauen hoch. Darauf gab ihm Rider mit einem Achselzucken zu verstehen, dass sie später darüber sprechen würden.
    »Eine Zeit lang wollte meine Tochter unbedingt eine zweite Katze haben«, flüsterte Bosch. »Meine Ex sagte Nein, eine würde reichen. Jetzt weiß ich, warum.«
    Rider grinste

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