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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Blick von Bosch auf seinen Schreibtisch. Bosch konnte sehen, dass er auf eine Erinnerung blickte. Etwas in der Mauer seines Gesichts bröckelte und gab nach.
    »Möglicherweise wusste ich sogar, dass da etwas nicht stimmte«, sagte er ruhig. »Es wurde mir irgendwann auf halber Strecke klar.«
    »Inwiefern?«
    »Wir beschlossen schon früh, uns die Eltern zu teilen. Ron übernahm den Vater, ich die Mutter. Sie wissen schon, um eine Beziehung aufzubauen. Ron hatte mit dem Vater Probleme. Er war sehr sprunghaft. Zunächst war er total passiv, und plötzlich ließ er Ron keine Ruhe mehr und verlangte Ergebnisse von ihm. Doch da war noch etwas anderes, aber davon hat Ron mir nichts erzählt.«
    »Haben Sie ihn danach gefragt?«
    »Ja. Ich habe ihn gefragt. Er sagte mir nur, der Vater wäre schwierig. Er wäre völlig paranoid, was die Rassenproblematik angeht, und dächte, seine Tochter wäre aus irgendwelchen rassistischen Motiven heraus ermordet worden. Und dann sagte er etwas, woran ich mich heute noch erinnern kann. Er sagte: ›Aber dort dürfen wir nicht hin.‹ Das war alles, was er sagte, aber es blieb bei mir hängen, weil es so gar nicht zu dem Ron Green passte, den ich kannte. Dort dürfen wir nicht hin. Der Ron Green, den ich kannte, wäre dorthin gegangen, wohin es ihn führte. ›Dort dürfen wir nicht hin‹ gab es für ihn nicht. Jedenfalls nicht bis zu diesem Fall.«
    Garcia blickte wieder zu Bosch auf, und Bosch nickte. Das war seine Art, ihm dafür zu danken, dass er ihm davon erzählt hatte.
    »Glauben Sie, das hatte etwas mit dem zu tun, was später passiert ist?«, fragte Bosch.
    »Meinen Sie, mit dem Selbstmord?«
    »Ja.«
    »Schon möglich. Aber ich weiß es nicht. Möglich ist alles. Nach diesem Fall trennten sich sozusagen unsere Wege. Die Sache mit Partnern ist die, dass es nicht mehr viel zu reden gibt, sobald man nicht mehr zusammenarbeitet.«
    »Das stimmt«, sagte Bosch.
    »Ich war in einer Besprechung des Führungsstabs im Siebenundsiebzigsten – dorthin war ich nach der Beförderung zum Lieutenant versetzt worden. Und dort erfuhr ich, dass er tot war. Und zwar durch eine Mitteilung an den Stab. Das zeigt wahrscheinlich auch, wie weit wir uns auseinander gelebt hatten. Ich erfuhr erst nach einer Woche, dass er sich erschossen hatte.«
    Bosch nickte nur. Es gab nichts, was er dazu hätte sagen können.
    »Ich habe jetzt eine wichtige Besprechung, Detective«, sagte Garcia. »Sie müssen gehen.«
    »Ja, Sir. Aber wissen Sie, was ich dachte? Um Ron Green so unter Druck setzen zu können, müssen sie etwas gegen ihn in der Hand gehabt haben. Fällt Ihnen dazu irgendetwas ein? Hatte er damals wegen irgendetwas Ärger mit der Dienstaufsicht?«
    Garcia schüttelte den Kopf. Das sollte jedoch kein Nein auf Boschs Frage sein. Er meinte damit etwas anderes.
    »Wissen Sie, beim LAPD gab es immer mehr Cops, die damit beauftragt waren, gegen andere Cops zu ermitteln, als es Cops gab, die in Mordfällen ermittelten. Ich dachte immer, dass ich das ändern würde, wenn ich es mal nach ganz oben schaffen würde.«
    »Heißt das, es gab ein Verfahren?«
    »Es heißt, es kommt bei der Polizei selten vor, dass jemand nichts auf dem Kerbholz hat. Es gab eine Akte über Ron, klar. Er war beschuldigt worden, einem Verdächtigen gegenüber handgreiflich geworden zu sein. Das war natürlich Quatsch. Der Junge schlug sich den Kopf an, als ihn Ron auf den Rücksitz des Autos setzte, und er musste hinterher genäht werden. Eine absolute Lappalie. Aber wie sich herausstellte, hatte der Junge Beziehungen, und die Dienstaufsicht verbiss sich in die Sache.«
    »Dann hätten sie sich das also zunutze machen können, um in diesem Fall Druck auf ihn auszuüben.«
    »Auszuschließen ist es jedenfalls nicht, je nachdem, wie weit Sie an Verschwörungstheorien glauben.«
    Was das LAPD angeht, glaube ich an einiges, dachte Bosch, sagte es aber nicht. Stattdessen sagte er: »Okay, Sir, ich glaube, jetzt kann ich mir ein Bild von der Sache machen. Jetzt lasse ich Sie in Ruhe.«
    Bosch stand auf, um zu gehen.
    »Ich verstehe, dass Sie das alles wissen müssen«, sagte Garcia. »Ich finde nur nicht gut, wie Sie mich deswegen angegangen sind.«
    »Es tut mir Leid, Sir.«
    »Nein, Detective Bosch, das tut es Ihnen nicht.«
    Bosch sagte nichts. Er ging zur Tür und öffnete sie. Er schaute zu Garcia zurück und überlegte, was er sagen könnte. Aber ihm fiel nichts ein. Er drehte sich um, schloss die Tür hinter sich und

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