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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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die
Lichtung, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Auf der weiten offenen Fläche
sahen sie die gigantischen, bleichen Skelette mehrerer Apatosaurier. Die riesigen
Brustkörbe, fahle Knochenbögen, glänzten im Mondlicht. In der Mitte lag die
dunkle Masse eines teilweise abgefressenen Kadavers, Myriaden von Fliegen umschwärmten
ihn.
    »Was ist das?«
fragte Thorne. »Sieht aus wie ein Friedhof.«
    »Ja«, sagte
Levine. »Es ist aber keiner.«
    Die Raptoren
standen etwas abseits in einem Haufen und kämpften um Eddies Überreste. Am
entgegengesetzten Ende der Lichtung sahen Thorne und Levine drei niedrige Erdhügel,
deren Ränder an vielen Stellen aufgebrochen waren. In den Nestern konnten sie
zerdrückte Eierschalen erkennen. Ein starker Verwesungsgeruch lag in der Luft.
    Levine beugte
sich mit weit aufgerissenen Augen vor. »Das ist das Raptorennest«, sagte er.
     
    In der Dunkelheit des Caravans richtete
Malcolm sich stöhnend auf und griff zum Funkgerät. »Du hast es gefunden? Das
Nest?«
    Das Funkgerät
knisterte. »Ja. Ich glaube schon«, erwiderte Levine.
    »Beschreib es.«
     
    Mit ruhiger Stimme beschrieb Levine das
Aussehen des Nests und schätzte die Abmessungen. Auf ihn wirkte das
Velociraptorennest schlampig, vernachlässigt, schlecht gemacht. Das überraschte
ihn, denn für gewöhnlich machten Dinosauriernester einen höchst ordentlichen
Eindruck. Levine hatte das schon häufig gesehen, in Ausgrabungsstätten von
Montana bis zur Mongolei. Die Eier in den Nestern waren dort immer in präzisen
konzentrischen Kreisen angeordnet gewesen. Oft befanden sich mehr als 30 Eier
in einem einzigen Nest, was daraufhindeutete, daß mehrere Weibchen einen
Erdhügel gemeinsam benutzten. In der Umgebung fand man stets auch zahlreiche
Fossilien von Erwachsenen, und das legte den Schluß nahe, daß die Dinosaurier
sich gemeinschaftlich um ihre Eier gekümmert hatten. Bei einigen Ausgrabungsstätten
bekam man sogar einen Eindruck von der räumlichen Anordnung: Die Nester
befanden sich in der Mitte, und die Erwachsenen hatten sich außen herum bewegt,
um die reifenden Eier nicht zu stören. In dieser starren Struktur ähnelten die
Dinosaurier ihren Nachfahren, den Vögeln, die bei Werbung, Paarung und Nestbau
ebenfalls präzise Verhaltensmuster zeigten.
    Doch die
Velociraptoren verhielten sich anders. Die Szene vor Levines Augen vermittelte
einen unordentlichen, chaotischen Eindruck: schlecht geformte Nester, streitende
Erwachsene, einige wenige junge oder heranwachsende Tiere, die Eierschalen
zerdrückt, die Erdhügel zertrampelt. In der Umgebung der Hügel sah Levine nun
wahllos verstreute kleine Knochen, von denen er annahm, daß es die Überreste
von Neugeborenen waren. Lebende Neugeborene waren nirgendwo auf der Lichtung zu
entdecken. Es gab drei Heranwachsende, aber diese jüngeren Tiere waren gezwungen,
für sich selbst zu sorgen, und ihre Körper wiesen bereits viele Narben auf. Sie
sahen dünn und unterernährt aus. Vorsichtig drückten sie sich am Rand des Kadavers
herum und wichen zurück, sobald ein erwachsenes Tier nach ihnen schnappte.
    »Und was ist mit
den Apatosauriern?« fragte Malcolm. »Was ist mit den Kadavern?«
    Levine zählte
vier, in verschiedenen Stadien der Verwesung.
    »Das mußt du
Sarah erzählen«, sagte Malcolm.
    Aber Levine
grübelte über etwas anderes nach. Er fragte sich, wie diese riesigen Kadaver
überhaupt hierhergekommen waren. Sie waren nicht durch Zufall hier verendet,
denn gewiß mieden alle anderen Tiere dieses Nest. Daß man sie hierher gelockt
hatte, war auch nicht anzunehmen, und zum Schleppen waren sie zu groß. Wie
waren sie also hierhergekommen? Die Antwort lag ihm auf der Zunge, es war etwas
Offensichtliches, das er nur noch nicht –
    »Haben sie Arby
mitgebracht?« fragte Malcolm.
    »Ja«, entgegnete
Levine. »Das haben sie.«
    Er starrte zum
Nest hinüber und versuchte, auf die Antwort zu kommen. Plötzlich stieß Thorne
ihn an. »Dort ist der Käfig«, sagte er und deutete zum anderen Ende der
Lichtung. Zwischen Palmwedeln sah Levine silbrige Stangen hervorblitzen. Der
Käfig lag umgestürzt auf der Erde. Aber Arby konnte er nicht erkennen.
    »Ziemlich weit
weg«, sagte Levine.
    Die Raptoren
achteten nicht auf den Käfig, sie stritten sich noch immer um Eddies Leiche.
Thorne nahm ein Lindstradt-Gewehr zur Hand und klappte das Magazin auf. Er sah
sechs Pfeile. »Nicht genug«, erklärte er und klappte es wieder zu. Auf der
Lichtung waren mindestens zehn

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