Vergessene Welt
Genies passen nie auf. Die glauben, sie wissen schon
alles. Diese Dinger sind doch keine Spielzeuge.« Er drückte die Sendetaste.
»Richard, hören Sie mir zu. Sie müssen die S-Taste drücken, um –«
»Hier
Levine. Hallo? Levine. Bitte.
Ich brauche Hilfe.« Eine Art Stöhnen. »Wenn ihr mich hören könnt, schickt
Hilfe. Hört zu, ich bin auf der Insel, ich habe es bis hierher geschafft, aber
–«
Knistern.
Zischen.
»O-o«, sagte
Thorne.
»Was ist los?«
fragte Arby und beugte sich vor.
»Wir verlieren
ihn.«
»Warum?«
»Die Batterie«,
sagte Thorne. »Die entlädt sich sehr schnell. Verdammt! Richard: Wo sind
Sie? «
Aus dem
Lautsprecher hörten sie Levines Stimme: »– schon – tot – Situation ist – jetzt
– sehr ernst – weiß nicht – mich hören könnt, aber wenn – schickt Hilfe –«
»Richard. Sagen
Sie uns, wo Sie sind! «
Aus dem Telefon
rauschte es, die Verbindung wurde ständig schlechter. Sie hörten Levine sagen:
»– mich umzingelt, und – hinterhältig – kann sie riechen, vor allem – Nacht –«
»Von was redet
der denn?« fragte Arby.
»– verletzt –
kann nicht – mehr lange – bitte –«
Und dann kam ein
letztes, langsam verklingendes Rauschen.
Thorne schaltete
seinen Apparat aus und legte ihn weg. Dann wandte er sich den Kindern zu, die
beide blaß geworden waren.
»Wir müssen ihn
finden«, sagte er. »Und zwar schnell.«
Zweite Konfiguration
Die
Selbstorganisation wird um so
komplexer, je
näher das System dem
chaotischen Rand
kommt.
IAN MALCOLM
Spuren
Thorne schloß die Tür zu Levines Wohnung
auf und schaltete das Licht ein. Sie sahen sich erstaunt um. »Sieht aus wie ein
Museum«, sagte Arby.
Levines
Vierzimmerwohnung war in einem asiatisch anmutenden Stil eingerichtet, mit
reich verzierten Holzschränkchen und teuren Antiquitäten. Sie war makellos
sauber, die meisten Antiquitäten in Plastik verpackt. Zögernd traten sie in das
Zimmer.
» Wohnt er
hier?« fragte Kelly. Sie konnte es kaum glauben. Die Wohnung wirkte auf sie
sehr unpersönlich, fast unmenschlich. Und bei ihnen zu Hause herrschte immer
eine solche Unordnung …
»Ja, das tut
er«, sagte Thorne und steckte die Schlüssel ein. »Es sieht immer so aus. Deshalb
kann er ja auch nicht mit einer Frau zusammen wohnen. Er haßt es, wenn jemand
irgend etwas berührt.«
Die
Couchgarnitur im Wohnzimmer war um ein niedriges, quadratisches Glastischchen
plaziert. Auf dem Tisch ruhten vier ordentliche Bücherstapel, jeder präzise in
einer Ecke. Arby
sah sich die Titel an. Catastrophe Theory and Emergent Structures. Inductive
Processes in Molecular Evolution. Cellular Automata. Methodology of Non-Linear
Adaptation. Phase Transition in Evolutionary Systems. Es gab auch einige
ältere Bücher, mit deutschen Titeln.
Kelly
schnupperte. »Köchelt da was?«
»Keine Ahnung«,
sagte Thorne. Er ging ins Eßzimmer. Auf einer Anrichte stand eine Wärmeplatte
mit einigen zugedeckten Tellern.
Ein Holztisch
war für eine Person gedeckt, mit Silberbesteck und geschliffenem Glas. In einer
Schüssel dampfte Suppe.
Thorne ging zum
Tisch, hob ein Blatt Papier auf und las: »Hummercremesuppe, junges Gemüse,
gebratener Gelbflossen-Thunfisch.« Ein gelber Post-it-Zettel klebte auf dem
Blatt: »Ich hoffe, Sie hatten eine schöne Reise! Romelia.«
»Wow«, rief
Kelly. »Soll das heißen, daß jemand jeden Tag für ihn kocht?«
»Anscheinend«,
sagte Thorne, doch das schien ihn nicht sehr zu beeindrucken. Er wühlte in dem
Stapel ungeöffneter Briefe neben dem Teller. Kelly wandte sich einigen Faxen
auf einem Beistelltisch zu. Das erste war vom Peabody Museum in Yale, New
Haven.
»Ich glaube, das
ist Deutsch«, sagte sie und gab es Thorne.
Lieber Dr.
Levine,
Ihr
angefordertes Dokument
»Geschichtliche
Forschungsarbeiten über die Geologie Zentralamerikas, 1922-1929«
wurde Ihnen
heute mit Federal Express übersandt.
Vielen Dank.
Dina Skrumbis , Archivarin.
»Interessant«, sagte Thorne.
»Zentralamerikanische Geologie. Aus den 20er Jahren – nicht gerade das
Allerneueste.«
»Wozu er das
wohl braucht?« fragte Kelly.
Thorne
antwortete nicht. Er ging ins Schlafzimmer.
Das Schlafzimmer wirkte karg, minimalistisch,
das Bett war ein ordentlich aufgerollter schwarzer Futon. Thorne öffnete die
Schranktüren und sah Fächer mit Kleidungsstücken, alles gebügelt und
Weitere Kostenlose Bücher