Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)
militärische Weltherrschaft.«
Enzensberger hat seine Ansichten über die USA mittlerweile gründlich geändert, das deutsche Feuilleton aber pflegt die Tradition des Antiamerikanismus weiter. Allerdings wird die Aufgabe inzwischen gerne an »kritische Amerikaner« wie Noam Chomsky oder Michael Moore outgesourced, die ihre Glaubwürdigkeit und Kompetenz nicht erst beweisen müssen.
Antiamerikanismus und Antizionismus gehören zusammen wie Pech und Schwefel. Man wird keinen Antiamerikaner finden, der nicht zugleich ein Antizionist wäre, umgekehrt ist es genauso. Konsequenterweise gilt Israel als der »Brückenkopf der USA« im Nahen Osten, während in den USA die Zionisten das Sagen haben. Der »große« und der »kleine« Satan arbeiten zusammen, um die Völker der Welt zu unterjochen.
Der Antizionismus geriert sich als politische Philosophie, ist aber in Wirklichkeit eine Flucht aus der Mausefalle der Geschichte. Wenn die Palästinenser die Juden von heute sind und wenn die »Islamophobie« den Antisemitismus ersetzt hat, dann muss man sich mit den Palästinensern solidarisieren und die »Islamophobie« bekämpfen, wenn man besser als die eigenen Eltern und Großeltern sein will.
Das ist aber noch nicht alles, was in der Wundertüte des Antizionismus steckt. Stellen wir uns kurz das Undenkbare vor: Ahmadinedschad beschließt eines Tages, die friedliche Nutzung der Kernkraft zugunsten einer militärischen Option aufzugeben und die erste »selbst gebaute« Atombombe über Israel auszuprobieren. Die Antizionisten wären darüber nicht begeistert, denn der atomare Fallout würde auch über Jericho und Ramallah niedergehen – aber auch nicht allzu traurig. Wie schon zur Zeit des Golfkrieges von 1991, als irakische Scud-Raketen in Tel Aviv einschlugen, könnten sie auch diesmal Israel die Schuld geben, weil es mit seiner Politik gegenüber den Palästinensern diese Katastrophe heraufbeschworen habe. Damals erklärte der Sprecher der Grünen, Hans-Christian Ströbele: »Die irakischen Raketenangriffe auf Israel sind die logische, fast zwingende Konsequenz der Politik Israels.«
Das offizielle Europa würde sich, wie Deutschland im Jom-Kippur-Krieg 1973, für neutral erklären, allerdings auch versichern, eine »Neutralität der Herzen« könne es nicht geben, und den Überlebenden »humanitäre Hilfe« in Form von Zelten und Trinkwasseraufbereitungsanlagen anbieten. Lea Rosh und ihre Freunde würden sofort eine Bürgerinitiative für ein »Mahnmal zur Erinnerung an den jüdischen Staat im Nahen Osten« gründen, das auf dem Gelände der nunmehr nicht mehr benötigten israelischen Botschaft in Berlin entstehen sollte. Das Beste aber wäre: Im Dunst der atomaren Endlösung der Nahostfrage würde der von den Nazis organisierte Holocaust mitsamt den Schuldgefühlen den Juden gegenüber im Abgrund der Geschichte verschwinden. Über eine Katastrophe kommt man nur hinweg, indem man eine noch größere Katastrophe inszeniert.
Das ist die Substanz der antizionistischen Anstrengungen, ob sie den Protagonisten bewusst ist oder nicht: Sie nehmen die Vernichtung Israels als Preis für ihren inneren Frieden in Kauf. So denkt es in ihnen.
Abbildung 3
Die Klagemauer von Köln oder: Gute Juden, böse Juden
Es ist Zeit für eine Klarstellung: Nicht jeder Deutsche ist ein Antisemit. Wahrscheinlich nicht einmal jeder zweite. Schlimmstenfalls jeder dritte, was immerhin bedeuten würde, dass zwei von drei Deutschen keine Antisemiten sind. So wie bei den letzten einigermaßen freien Wahlen zum Reichstag 1932 jeder dritte Wähler seine Stimme der NSDAP gab. Die Nazis waren eine Minderheit, die nur deswegen die Macht ergreifen konnte, weil die Mehrheit ihr das Feld überließ. Deswegen sind Zahlen für die Beurteilung des sozialen Klimas nicht allein entscheidend.
Es gibt keinen Ur-Meter, mit dem man Antisemitismus messen könnte, und keinen Lackmustest für Antisemiten. In den einschlägigen Untersuchungen ist immer von 20 bis 30 Prozent die Rede, wobei zwischen »latenten« und »manifesten« Antisemiten unterschieden wird. Ich habe solchen Untersuchungen immer misstraut. Ist jemand ein »latenter« Antisemit, der Juden umbringen möchte, und ein »manifester«, der es schon getan hat? Es kommt natürlich auch auf die Fragestellung an. Eine Standardfrage lautet: Glauben Sie, dass die Juden zu viel Einfluss haben? Wer sie mit »Ja« beantwortet, hat sich als Antisemit geoutet. Was aber, wenn einer »Nein« sagt und »eher zu wenig«
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