Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)
verstanden als jüdisches Kollektiv, richten und vordergründig als antizionistische Kritik ausgeben kann«. Auch habe »der Beschuldigte … auf ein klassisch antisemitisches Stereotyp zurückgegriffen«. Jedoch: »Die Verwendung einer bewusst an antisemitische Bilddarstellung angelehnten Bildsprache allein vermag eine Strafbarkeit nicht zu begründen, wenn das Bild – wie hier – verfremdet worden ist und im Kontext mit anderen Darstellungen für den objektiven Beobachter einen anderen möglichen Bedeutungsgehalt erhält.«
Der Skandal, hat Karl Kraus gesagt, »fängt da an, wo die Polizei ihm ein Ende macht«. In diesem Fall war es die Kölner Staatsanwaltschaft, die Walter Herrmann einen Persilschein ausstellte. Der wiederum zeigte sich in Maßen kooperativ, indem er das Gaza-Bild von der »Klagemauer« entfernte, quasi als eine Goodwill-Geste. Alles Übrige blieb, wo es war, ein Reigen antisemitischer Parolen im Mantel antizionistischer Kritik: »Den Zionisten geht es nicht um FRIEDEN, sondern um UNTERWERFUNG der Palästinenser unter ihr DIKTAT!« – »Wie viele Jahrhunderte will das israelische Volk noch unsere ›Eine Welt‹ erpressen?« – »Der Holocaust verpflichtet uns, nicht wieder schweigend zuzuschauen.« – »Die Zionisten versuchen durch Medienpolitik den Islam in der ganzen Welt schlecht aussehen zu lassen.« – »Hitler ist Vergangenheit. Aber Israel ist Gegenwart. Nicht noch einmal.«
Obwohl die Sache auf dem juristischen Abstellgleis gelandet war, wurde sie der Stadt und ihrem Oberbürgermeister zunehmend peinlich. Die Domplatte ist immerhin die Visitenkarte der Stadt, täglich kommen Tausende von Touristen, die den Eindruck gewinnen könnten, man müsse in Köln nur »Jude« durch »Zionist« ersetzen, um den antisemitischen Schweinehund von der Leine lassen zu dürfen. Anfang Juli meldete der »Kölner Express«: »Roters geht gegen ›Klagemauer‹ vor«. Der OB habe die »antisemitischen Botschaften« als »unerträglich und nicht tolerierbar« bezeichnet und angekündigt, »zur Abstimmung weiterer Maßnahmen einen Runden Tisch mit Spitzen von Stadt, Politik, Polizei, Justiz, Kirchen und Synagogengemeinde« einzuberufen.
Das war echt »Made in Cologne«: Wenn man lange genug nichts tut und dann »weitere Maßnahmen« ankündigt, dann sieht das nach wilder Betriebsamkeit aus. Tatsächlich hat der Runde Tisch im Sommer 2010 »zweimal getagt«, sagt Gregor Timmer, der Pressesprecher des Oberbürgermeisters. Die einzige »weitere Maßnahme«, die dabei beraten und beschlossen wurde, sei eine »Resolution« gewesen. Diese ist dann tatsächlich zustande gekommen und am 17. Dezember 2010 vom Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bekannt gemacht worden. Darin heißt es unter anderem, »Kölner Bürgerinnen und Bürger« wollten »die Vorgehensweise von Walter Herrmann, dem Betreiber der sogenannten ›Kölner Klagemauer‹, nicht länger hinnehmen« und forderten ihn deswegen auf, »alle menschen- und völkerverachtenden Installationen umgehend zu entfernen … und künftig auf solche zu verzichten«.
Dass die Resolution just an dem Tag publik wurde, an dem OB Roters Tel Aviv besuchte, um die Partnerschaft zwischen den beiden Städten aufzufrischen, sei, versichert Timmer, »reiner Zufall« gewesen. Allerdings, räumt der Pressesprecher des Oberbürgermeisters ein, habe es »im Vorfeld der Reise« einige Berichte in den israelischen Medien gegeben, die den Kölnern sauer aufgestoßen seien. Deswegen habe der Kölner OB seinem Tel Aviver Kollegen die Resolution »zur Kenntnis gebracht«. Auch das war original Eau de Cologne: Der Kölsche OB verabschiedet eine Resolution gegen sich selbst und gibt damit im Ausland an. Daheim passiert derweil nix. »Uns sind die Hände gebunden«, erklärt Timmer die missliche Lage, »wir haben es mit einem Konflikt zwischen Demonstrationsrecht und Ordnungsrecht zu tun.« Die Polizei habe die »Klagemauer« als eine »Dauerdemo« unter bestimmten Auflagen genehmigt. Die Stadt könne allenfalls »ordnungsrechtlich« eingreifen und sagen: »Herr Herrmann, Sie stehen so ungünstig, dass Sie Rettungswege blockieren. Dann zieht er eben drei Meter weiter.« Herrmann habe »diese Lücke erkannt« und verstehe es, sie zu seinen Gunsten zu nutzen. »Er hat viel Erfahrung im Demonstrieren.«
Aber das ist noch nicht alles, worauf sich Walter Herrmann verlassen kann. »Er hat auch Unterstützer, die im Hintergrund agieren, vielschichtig und weit verzweigt. Die
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