Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)
2011 Aktivisten des Bremer Friedensforums vor einem Supermarkt zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, fühlten sich sogar die Landesvorsitzenden der Linkspartei an die Nazi-Kampagne »Kauft nicht bei Juden!« erinnert, wirkte doch die Demonstration wie die Re-Inszenierung einer SA-Aktion im Jahre 1938. Dennoch, befanden sie, seien Boykottaktionen gegen Israel »nicht antisemitisch«, die Kritik an der Aktion taten sie als »böswillig« und »völlig überzogen« ab.
So viel unheilbar gesundes Gewissen wurde nur noch von einer Erklärung übertroffen, die der Parteivorstand der Linken am 21. Mai 2011 ohne Gegenstimmen verabschiedete. Darin hieß es unter anderem:
»Es gehört zum Bestand LINKER Grundpositionen, gegen jede Form von Antisemitismus in der Gesellschaft vorzugehen. Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Partei heute nicht und niemals einen Platz. DIE LINKE tritt – wie auch die Demonstration am 19. Februar 2011 in Dresden wieder beispielhaft zeigte – mit Partnern entschieden gegen antisemitisches Gedankengut und rechtsextremistische Handlungen auf. Beschlusslage der LINKEN ist, ›dass Deutschland wegen der furchtbaren Verbrechen der Deutschen an den Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung gegenüber Israel und gegen jede Art von Antisemitismus, Rassismus, Unterdrückung und Krieg hat. Diese Verantwortung ist nicht relativierbar; sie schließt das Bemühen um einen palästinensischen Staat und die Garantie des Existenzrechtes Israels ein. Wir sehen uns in einer Doppelverantwortung und sind mit den Menschen in Israel und Palästina solidarisch. Eine einseitige Parteinahme in diesem Konflikt wird nicht zu seiner Lösung beitragen.« (Aus dem Beschluss der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vom 20. April 2010)
Beinah hätte es die Linkspartei per »Beschlusslage« geschafft, den Antisemitismus aus der Welt zu schaffen, wenn nicht einige ihrer Ehrenpalästinenser den Appell von Gregor Gysi überhört hätten, »bei bestimmten Argumenten vorsichtiger zu sein«, das heißt, nicht auf antisemitische Ausfälle zu verzichten, sondern den Tonfall zu mäßigen, um in der Öffentlichkeit nicht unangenehm aufzufallen. So rief die Abgeordnete Inge Höger auf einer »Palästina-Konferenz« in Wuppertal den Delegierten zu: »Menschlich bleiben bedeutet für mich auch, dass das Verbrechen des Holocaust nicht weiter dazu missbraucht werden darf, Kritiker von Besatzungspolitik mundtot zu machen.«
Abbildung 10
Ja, das musste mal gesagt und den Juden, die den Holocaust »missbrauchen«, unter die Nasen gerieben werden. Intellektuell mag Inge Höger ein Glühwürmchen in der Nacht sein, als Fachfrau für das Menschliche ist sie nicht zu übertreffen.
Am 25. Mai 2011 wurde in einer Aktuellen Stunde des Bundestages über die Linke und den Antisemitismus diskutiert. Hans-Peter Uhl, CDU, warf der Linken eine »Doppelstrategie« vor. Auf der einen Seite warne Gregor Gysi vor dem Antisemitismus, während sich auf der anderen Seite Politiker der Linken »als Antisemiten immer wieder in Erscheinung bringen«. Christian Lange, SPD, erklärte, man dürfe nicht länger hinnehmen, dass »unter dem Deckmantel der Israel-Kritik antisemitische Vorurteile oder antisemitische Kampagnen salonfähig werden«. Volker Beck, Grüne, räumte ein, dass es auch in anderen Parteien »Problemfälle« gegeben habe, in denen Politiker »Dinge gesagt haben, die inakzeptabel sind, historisch falsch, rassistisch, widerlich, und die man zurückweisen muss«. Bei der Linkspartei seien es aber »keine Einzelfälle«.
Am Ende der Debatte ergriff Luc Jochimsen, Die Linke, das Wort, um noch einmal auf die »Beschlusslage« hinzuweisen: Man habe, sagte sie, »ein für alle Mal beschlossen«, dass Deutschland wegen der Verbrechen der Deutschen an den Juden während des Nationalsozialismus eine »besondere Verantwortung gegenüber Israel und gegen jede Art von Antisemitismus, Rassismus, Unterdrückung und Krieg« tragen würde.
Eher würde ein Mitglied des Vorstandes der Linkspartei zugeben, dass die DDR doch ein Unrechtsstaat war, als dass er beziehungsweise sie sich einer Diskussion über die Varianten linken Antisemitismus stellen würde. Gab’s nicht, gibt’s nicht, kann’s nicht geben. So wie es in der DDR niemals Armut, Alkoholismus, Arbeitslosigkeit, Prostitution und Neonazis gegeben hat, so gibt es heute in der Linkspartei keinen Antisemitismus. Wer es doch behauptet, der
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