Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)
Weltfrieden, die Ungerechtigkeiten innerhalb der israelischen Gesellschaften sind nur Ausreden und Vorwände. Deswegen schweigt die pazifistisch-antiimperialistische Linke zu dem Blutbad in Syrien, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt ist, das vorzeitige Ableben von Osama bin Laden zu beklagen oder zärtliche Nachrufe auf Muammar al-Gaddafi zu verfassen. Nur wenn es um Israel und die Palästinenser geht, wacht sie aus ihrem Koma auf, um Aufrufe und Stellungnahmen zu produzieren.
Alle europäischen Linksparteien haben ein Problem mit Israel, je linker, umso stärker. Die deutsche Linkspartei tut sich dabei besonders schwer, denn auf ihren Schultern lasten gleich zwei Hypotheken: das deutsche Schuldgefühl und der linke Neidkomplex. Die Mischung hat es in sich.
Am 18. Mai 2011 erschien in der »Frankfurter Rundschau« ein Artikel des Bremer Journalisten Jan Philipp Hein über eine noch unveröffentlichte Studie, die sich mit dem Antisemitismus und den Antisemiten in der Linkspartei beschäftigte: »Antisemiten als Koalitionspartner?« Auch in diesem Fall wäre es genug gewesen, sich auf das Urteil des US-Richters Potter Stewart zu beziehen: »I know it when I see it.« Kein Mensch käme auf die Idee, eine Studie über den Gestank von Harzer Käse zu schreiben, aber die Verfasser der Studie, zwei Sozialwissenschaftler, wollten es ganz genau wissen und das Offensichtliche empirisch untermauern. Das Ergebnis ihrer Studie fassten sie in dem Satz zusammen, »im parlamentarischen Spektrum der bundesdeutschen Linken« habe sich inzwischen »eine Kraft etabliert, die antisemitische Positionen in ihren Reihen toleriert«. Eine sehr moderate Formulierung angesichts der »Vorfälle« in der Linkspartei.
Dabei war seit der Fertigstellung der Studie noch einiges passiert, das die Autoren nicht berücksichtigen konnten. So war zum Beispiel auf einer Internetseite des Duisburger Kreisverbandes der Linkspartei ein Flugblatt aufgetaucht, in dem vom »sogenannten Holocaust« die Rede war, illustriert mit einer Zeichnung, auf dem das Hakenkreuz und der Davidstern miteinander verschmelzen. Der Kreisverband distanzierte sich umgehend und sprach von »Verleumdung«. Es könne sich nur um eine Aktion von Provokateuren handeln, die den guten Ruf der Duisburger Linken zerstören wollten. Dabei war der längst ruiniert, und zwar durch den Vorsitzenden der Fraktion der Linkspartei im Duisburger Rathaus, Herrmann Dierkes persönlich. Er hatte zum Boykott israelischer Waren aufgerufen, bei einer Diskussion von der »läppischen Frage« nach dem Existenzrecht Israels gesprochen und in einem anderen Zusammenhang »Mittel und Methoden« der Israelis angeprangert, »die verdammt nahe dran sind an dem, was die Nazis in den dreißiger Jahren getrieben haben«.
Fairerweise zitierte Hein in seinem Artikel auch andere Stimmen, so den ehemaligen Landesvorsitzenden der Berliner Linkspartei, Stefan Liebich (»Ich wünsche mir, dass sich die Spitzen von Partei und Fraktion schneller und deutlicher von solchen Dingen distanzieren«) und den Chef der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, der seinem »Parteifreund« Dierkes bescheinigte, dass der sich »das Verschwinden der jüdischen Bevölkerung im Nahen Osten eher wünscht oder es billigend in Kauf nimmt«.
Heins Beitrag löste eine Welle der Empörung aus. Die Studie sei »unwissenschaftlich«, die beiden Verfasser unqualifiziert und mehr oder weniger heimliche Israel-Sympathisanten. Gregor Gysi wies den Vorwurf der Israel- und Judenfeindlichkeit in seiner Partei entschieden zurück und nannte die Ergebnisse der Studie, ohne sie gelesen zu haben, »schlicht Blödsinn«, denn: »Kritik an der Politik der israelischen Regierung ist kein Antisemitismus.« Und er fügte hinzu: »Im Übrigen führe ich sehr intensive Gespräche innerhalb und außerhalb der Linken mit dem Ziel, baldmöglichst einen gerechten Frieden in Nahost zu erreichen mit einem Staat Israel in sicheren Grenzen und einem lebensfähigen palästinensischen Staat.« Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, der an den von Gysi geführten »intensiven Gesprächen innerhalb und außerhalb der Linken mit dem Ziel, baldmöglichst einen gerechten Frieden in Nahost zu erreichen«, offenbar nicht teilnehmen durfte, brachte sich ebenfalls in Stellung: »Wir brauchen keine Belehrungen von außen. Gegen Antisemitismus zeigen wir klare Kante.« Er vergaß freilich zu sagen: Aber nur gegen den Antisemitismus der anderen.
Als im März
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