Vergib uns unsere Sünden - Thriller
Tatsache, dass man Miller keine Wahl gelassen hatte; seine Anwesenheit legte auch nahe, dass Miller - der die ganze Verantwortung für die Ermittlungen trug - damit nicht allein fertig wurde. Das lag in der Natur von Fällen höchster Priorität: Der Polizeichef musste auf seine Captains vertrauen, die sich ihrerseits auf ihre Stellvertreter und Lieutenants verlassen mussten, aber immer im Gefühl der Unsicherheit, dem Bewusstsein, dass die Ungewissheiten wuchsen, je weiter es in der Befehlskette nach unten ging.
»Dann sagen Sie uns, was Sie denken, Miller … Lassen Sie uns wissen, wie Sie den Schnurmörder einschätzen.«
Plötzlich war Miller gehemmt. Killarney wollte ihn in Verlegenheit bringen, weil Miller ihn in seinem Überflug unterbrochen hatte, er wollte die Kontrolle über das Verfahren zurückgewinnen.
»Ich war beim ersten Mord am Tatort. Margaret Mosley«, sagte Miller. Er sah sich im Raum um. Die anderen Detectives schauten auf ihn. »Ich bin reingegangen, und da sah ich sie … Also, ich habe sie nicht gefunden, verstehen Sie? Ich meine, ich war der erste Detective am Tatort. Es waren schon uniformierte Kollegen dort, als ich eintraf, und der Gerichtsmediziner war unterwegs. Ich bin reingegangen … in ihr Schlafzimmer, und habe das Opfer auf dem Bett liegen sehen.« Miller senkte den Blick, schüttelte langsam den Kopf.
»Was war Ihr erster Eindruck, Detective Miller?«, fragte Killarney.
Miller hob den Blick. »Erster Eindruck?«
»Was haben Sie gefühlt?«
»Es war wie ein Schlag vor die Brust.« Er klopfte sich mit der Faust auf den Brustkorb. »Mit einem Baseballschläger. Das war das erste Gefühl.«
»Und sind Sie hin und her gegangen, ober haben Sie den Tatort von einem festen Standort aus überblickt?«
»Von einem festen Standort … wie man es uns beigebracht hat. Betrachtet euch den Tatort von einem festen Standort aus … Haltet Ausschau nach Ungewöhnlichem, Dingen, die am falschen Platz sind. Schaut zuallererst nach dem, was man sieht.«
»Und?«
»Natürlich die Schnur.«
Killarney nickte. »Ja … die Schnur, der Anhänger. Und dann?«
»Der Lavendelgeruch.«
»Kein Zweifel?«
»Nein, es war Lavendel … wie bei den beiden anderen.«
»Sie waren auch bei den beiden anderen?«
»Nein«, antwortete Miller. »Beim ersten Mord hatte ich zufällig Dienst. Ich war nicht offiziell dafür eingeteilt. Aber beim dritten habe ich den vorläufigen Ermittlungsbericht gelesen, und dann gestern Abend, der jüngste Fall…«
»Wer war beim zweiten Mord anwesend?«, fragte Killarney.
»Den zweiten bekam das Vierte Revier«, sagte Miller. »Keiner von uns hatte damit zu tun.«
»Und der dritte …« Killarney warf einen Blick auf die Unterlagen vor ihm auf dem Tisch. »Barbara Lee … Ist jemand von Ihnen dabei gewesen?«
Carl Oliver, der rechts neben Miller saß, hob die Hand. »Ich und mein Partner, Chris Metz.«
Auch Metz gab sich mit erhobener Hand zu erkennen und sagte: »Offiziell war das Sechste Revier zuständig, aber die hatten niemanden frei, deshalb hat man uns gerufen.«
»Womit wir einen der Hauptgründe dafür hätten, dass acht Monate lang nicht in einer Serie ermittelt wurde«, sagte Killarney. »Und es erklärt auch, warum Ihr Polizeipräsident die Fälle jetzt in die Hände eines Reviers, eines leitenden Detectives, gelegt hat … Richtig, Mr. Miller?«
Miller nickte.
Killarney wandte sich wieder an Carl Oliver. »Also, erzählen Sie uns von Fall drei, Detective Oliver.«
»Dasselbe«, sagte Oliver. »Lavendel.«
»Damit hätten wir vielleicht unsere Signatur. Die Schnur im zweiten Fall … Miss Ann Rayner, war …«
»Rosa«, unterbrach ihn Al Roth.
»Und dann haben wir den leeren Anhänger. Ein Kofferanhänger? Leichenschauhausanhänger? Fundsachenanhänger? Das wissen wir nicht, wir können nur mutmaßen.«
Killarney nickte langsam, löste die Arme, steckte die Hände in die Hosentaschen. »Margaret Mosley, Ann Rayner, Barbara Lee, Catherine Sheridan. Siebenunddreißig, vierzig, neunundzwanzig und neunundvierzig Jahre alt. Blaue, rosa, gelbe und weiße Schnur. Dasselbe Parfüm an jedem Tatort. Vielleicht hat unser Freund die Leiche, das Bett und die Vorhänge mit Lavendel besprüht, weil er den Verwesungsgeruch überdecken wollte, in der Hoffnung, das Auffinden der Leiche hinauszuzögern.« Killarney neigte den Kopf auf die Seite, blinzelte Miller quasi zu, bevor er Roth anschaute. »Vielleicht auch nicht. Zumindest hat es bei seiner letzten Tat
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