Vergib uns unsere Sünden - Thriller
Verbrechen begehen wollen, und reisen dorthin. Die Übergriffe lassen sich ihrerseits in vier Typen einteilen: Macht bestätigende, Macht durchsetzende, zornig-rachsüchtige und zornig-erregte. Jeder folgt einer anderen Motivation und manifestiert sich deshalb auf andere Weise.«
Das Rascheln von Papieren, Mordermittler suchten in den Innentaschen ihrer Jacketts nach Kugelschreibern.
Killarney runzelte die Stirn. »Was haben Sie vor? Wollen Sie mitschreiben?« Er schüttelte den Kopf. »Das können Sie sich sparen. Ich will Ihnen nur ein paar Orientierungen für die Richtung Ihrer Ermittlungen an die Hand geben, ein paar Anhaltspunkte für die Bemessung Ihrer Fortschritte. Das sind lediglich Kategorien, und als solche sollte man sie betrachten. Die Erste nennen wir Bestätigung von Macht. Dabei geht es darum, die Zweifel an der eigenen Sexualität
zu zerstreuen. Ein Mann, der befürchtet, homosexuelle Tendenzen zu haben, greift Frauen an, um sich seiner Lust auf Frauen zu versichern. Er braucht weniger Gewalt als andere Angreifer. Er legt sich einen Plan zurecht. Er neigt dazu, am selben Ort anzugreifen, er nimmt sich Andenken mit.« Killarney zog die Hand aus der Tasche und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Den Macht durchsetzenden kennen wir als ›umgänglichen Typ‹. Diese Leute kommen freundlich rüber, nicht bedrohlich. Bedrohlich werden sie später, meistens dann, wenn ihre sexuellen Avancen zurückgewiesen werden. Dann bekommen sie es mit der Angst zu tun, fühlen sich entwertet, gedemütigt, geschwächt. Sexuelle Spannung wird zu physischer Spannung und wandelt sich rasch in Wut und Hass. Sie schalten in den Gewaltmodus, um ihr Motiv auszudrücken. Wenn sie das Opfer nicht haben können, soll es niemand haben.«
Killarney schaute in die Gesichter vor ihm, versicherte sich ihrer Aufmerksamkeit.
»Als dritten Typ haben wir den zornig-rachsüchtigen. Schon die Bezeichnung klingt nach Wut und Frauenhass. Das Opfer ist ein Symbol. Der zornig-rachsüchtige Typ will sein Opfer auf irgendeine Art demütigen. Oft sind seine Attacken planlos und offen gewalttätig. Und der letzte Typ, der zornig-erregte, speist sich aus der sadistischen Lust, das Opfer zu erschrecken und so viel Leid wie möglich zu verursachen. Die Attacken gleichen militärischen Operationen. Tatorte, Waffen, Methoden und alle diese Dinge werden sorgfältig ausgewählt, nicht selten ausprobiert. Er greift zu extremer Gewalt, manchmal foltert er das Opfer, oft tötet er es. Das Opfer ist in der Regel eine Fremde, und der Täter neigt dazu, seine Angriffe zu dokumentieren.«
»Und wo sehen Sie die Verbindung zu unseren Opfern?«, fragte Miller, nicht ohne leise Herausforderung im Ton.
Wenn er schon beim Übergriff des FBI auf das Territorium des Washingtoner Police Department nicht mitzureden hatte, würde es ihm als Führungsschwäche ausgelegt werden, wenn er jetzt nicht forsch auftrat. Ihm war der Fall anvertraut, von jetzt an musste er die Bereitschaft erkennen lassen, den ersten Schritt zu tun.
»Wir haben es mit einem Marodeur zu tun«, sagte Killarney. »Aber wir haben keine klaren Hinweise darauf, in welche der vier Kategorien unser Freund fällt. Am wahrscheinlichsten erscheint der zornig-erregte, aber offenbar fehlt die sadistische Komponente, das Verlangen, dem Opfer Angst und Schrecken einzujagen. Im letzten Fall hat er sich sogar zurückgehalten, ihr nicht ins Gesicht geschlagen wie den dreien davor. Aber es gibt Anomalien. Er foltert nicht. Es fehlt an extremer Gewalt.«
»Und was ist mit den Schlägen?«, fragte Miller.
Killarney lächelte wissend, geduldig. »Den Schlägen? Das sind Schläge, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich von extremer Gewalt spreche, dann meine ich extreme Gewalt. Die Schläge, die er diesen Frauen verabreicht hat, waren maßvoll im Vergleich mit dem, was ich schon gesehen habe.«
Schweigen.
»Und?«, fragte Miller.
Killarneys Blick schweifte durch die Runde, kehrte zu Miller zurück.
»Ihr Name?«
»Miller … Robert Miller.«
Killarney nickte. »Miller«, sagte er wie zu sich selbst, dann schaute er auf, die Augen weit offen. »Wie ich höre, leiten Sie diese Ermittlungen.«
»Das wurde mir vorhin mitgeteilt«, antwortete Miller, und erst jetzt verstand er den wahren Hintergrund seiner Provokation. Er saß in der Falle. Man hatte ihm etwas gegeben, das er auf keinen Fall haben wollte. Vielleicht war Killarney
nur gekommen, um ihm zu helfen, aber jetzt stand er nicht nur für die
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