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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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wurde.«
    »Hat er noch mehr gesagt?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    Henning nickt. Eine Schwester läuft eilig an ihnen vorbei.
    »War die Polizei schon hier?«
    »Ja, aber die sind wieder weg.«
    Henning holt tief Luft, bleibt sitzen und sieht sich um, ohne wirklich etwas zu erkennen.
    »Warst du bei ihm drin?«
    »Nur einen Moment.«
    »Wie sieht er aus?«
    Nora sieht ihn lange an. Dann sagt sie mit zitternder Stimme: »Ganz schrecklich.«
    Henning erwidert ihren Blick, mustert ihre Tränen. »Willst du hierbleiben, bis er aufwacht?«, fragt er.
    Sie nickt.
    »Das kann dauern, weißt du? Die Ärzte beschleunigen so etwas nicht. Das muss alles seinen Gang gehen. Iver wacht auf, wenn er dazu bereit ist.«
    Sie sieht ihn lange an, und ihre Augen füllen sich wieder mit Tränen. » Wenn er je wieder aufwacht.«
    Henning weiß nicht, wie Nora reagierte, als sie von Jonas’ Tod erfahren hat. Er will es auch nicht wissen. Aber er weiß, dass sie anschließend im Laufe von nur vier Wochen vierzehn Kilo abgenommen hat. Viele dieser Kilos sind noch immer verschwunden, aber mit der Zeit hat sie sich wieder gefangen. Wenn es noch etwas von der Nora gibt, die er kannte, dann die Fähigkeit, seither jeden Tag über ein verdammt dünnes Seil zu balancieren.
    Henning liegt ein Satz auf den Lippen, von dem er niemals gedacht hätte, dass er ihn aussprechen und es auch tatsächlich so meinen würde.
    »Iver ist ein zäher Bursche, Nora. Alles wird gut.«
    Sie sieht ihn an. »Das hoffe ich.«
    »Das wird es.«
    »Ich würde es nicht verkraften, ihn zu …«
    Henning ist froh, dass sie den Satz nicht zu Ende bringt. Er schlägt die Jacke enger um sich. »Grüß ihn von mir, wenn er aufwacht«, sagt er und steht auf.
    »Wohin willst du?«
    »Ich muss zur Arbeit.«
    » Jetzt? «
    »Ja, ich muss einen Artikel schreiben.«
    78
    Der Chef vom Dienst sieht Henning erstaunt an, als er die Redaktion betritt und auf den Knopf für schwarzen Kaffee drückt. In Gedanken fasst er schnell die Geschehnisse zusammen, bevor er sich an seinen Schreibtisch setzt.
    Auf dem Weg in die Redaktion hat er sich bereits überlegt, wie er die Sache angehen will. Der Titel ist ein Selbstläufer: Prominenter Journalist im Koma. Wer um diese Zeit wach ist, wird sich einklicken, da ist er sicher. Dem Titel nach könnte es jeder Kollege aus der Medienbranche sein – einer Branche, in der jeder seine eigenen Leute zu Promis macht. Promis verkaufen sich. Das ist einfach so. Wenn der Artikel dann noch an einer Stelle auf der ersten Seite platziert ist, wo der Lead nicht zu sehen ist, damit die Leser nicht gleich wissen, um welchen Promi es sich handelt, wird das massenweise Klicks bringen.
    Schon pervers, denkt Henning, in einer solchen Situation überhaupt solche Dinge zu berücksichtigen, aber er ist sicher, dass Iver es nicht anders machen würde. Im Gegenteil – er würde darauf bestehen.
    Henning beginnt zu schreiben. Im Krankenhaus hat er das Ganze nicht an sich rankommen lassen. Nicht einmal als er mit dem wachhabenden Polizisten gesprochen hat, um ein paar brauchbare Zitate zu bekommen, ist das Geschehene ganz bis zu ihm durchgedrungen. Aber als er das Wort »Koma« schreibt und erläutert, dass Iver Gundersen in einem Zustand zwischen Leben und Tod schwebt, geht ihm die brutale Wahrheit auf. Iver stirbt möglicherweise.
    Ørjan Mjønes dreht das Gesicht in die Morgensonne, beschattet mit einer Hand die Augen und beobachtet die Tür, die nur für kurze Momente stillsteht. Reisende mit Rollkoffern und Taschen strömen auf ihn zu. Mjønes sieht auf die Uhr. Fünf Minuten bis zur Abfahrt.
    Er zündet sich noch eine Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug. Gerade als er Jeton Pocolis Nummer eintippen will, sieht er Pocoli und Durim Redzepi den Bahnsteig entlang auf sich zuschlurfen.
    Mjønes nickt ihnen zu und zieht sie ein Stück beiseite, als sie bei ihm angelangt sind. »Gehen wir das Ganze noch einmal durch: Durim, du steigst in Flå aus. Nimm das Foto von Brenden mit, und halt die Augen offen. Hör dich in Läden, Tankstellen, Hotels, Postämtern, Restaurants um.«
    Redzepi grunzt.
    »Und du«, sagt Mjønes und sieht Pocoli an. »Du machst genau das Gleiche an der nächsten Station. Nesbyen. Ich nehme Gol. Wir bringen uns in regelmäßigen Abständen auf den neuesten Stand.«
    Noch immer müde Blicke.
    »Was ist mit Flurim? Wieso ist der nicht dabei?«, fragt Pocoli.
    »Er überwacht den Datenverkehr, das wisst ihr doch. Das hier hätten wir uns übrigens

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