Vergiftet
ausgeführt hat.
Henning loggt sich in FireCracker 2.0 ein, aber 6tiermes7 ist nicht da. Im selben Augenblick vibriert sein Handy. Eine SMS von Iver.
Sorry. Magere Ausbeute im Åsgard. Iver
Henning ruft Iver sofort zurück. Zwei Köpfe denken in der Regel besser als einer. Er presst das Telefon ans Ohr und wartet. Es dauert nur ein paar Sekunden, bis sich der Anrufbeantworter meldet. Dann führt er wohl gerade ein anderes Gespräch, denkt er, vielleicht mit Nora.
Der Gedanke an Nora und Iver sollte nicht so wehtun. Nicht mehr. Trotzdem gelingt es Henning nicht, die Bugwelle zu stoppen, die gegen seine Brust schlägt. Er kann sie nicht einfach abtun wie einen Schreibfehler.
Henning wartet ein paar Minuten und versucht es erneut. Mit dem gleichen Resultat. Um Viertel vor elf schlurft er missmutig ins Bad, putzt sich die Zähne, wechselt den Verband unter seinem Fuß und versucht dann noch einmal, Iver anzurufen, erreicht aber wieder nur den Anrufbeantworter.
Egal, denkt Henning und geht ins Bett.
75
Iver holt tief Luft und atmet erleichtert durch, als er das Åsgard verlässt. Draußen fühlt er sich gleich besser und irgendwie auch sauberer, auch wenn die Sommerluft noch immer schwül und feucht ist. Er senkt den Blick, will um keinen Preis jemandem begegnen, den er kennt, wenn er aus einem Klub kommt, der nichts anderes verkauft als Fantasien und Orgasmen. Er beschließt, nach Hause zu gehen. Ein Bier vor dem Fernseher erscheint ihm in diesem Moment deutlich verlockender als ein nächtlicher Besuch bei Nora.
Iver überquert den Bogstadveien und biegt in die dunkle Josefines gate ein. Die gewaltigen Villen inmitten leicht abschüssiger Gärten mit Schaukeln und Sandkästen baden im Licht des Vollmonds. Er geht am Josefines vorbei, einem Laden, in dem er manch einen Dienstags-Jam verfolgt und einige Talente, aber auch schreckliche Nieten am Mikrofon erlebt hat. Einige hundert Meter weiter vor ihm ragt die Fassade des Bislett-Stadions neben dem Kreisverkehr in die Höhe. Iver holt sein Handy hervor und informiert Henning über die magere Ausbeute des Abends.
Die Schritte hinter ihm tauchen wie aus dem Nichts auf. Sie sind schwer, Schuhe mit harten Sohlen, und noch bevor Iver sich umdrehen kann, packt ihn ein eiserner Griff im Nacken. Er wird in einen Vorgarten geschoben und zu Boden gestoßen. Er spürt Kies unter sich, harte, spitze Steine, und seine Beine versuchen erfolglos, Halt zu finden. Als wöge er nichts, wird er auf den Rücken gedreht. Die Augen schließen sich reflexartig, als eine Faust auf sein Gesicht zuschießt. Er hört den Kontakt, spürt Kinn und Kiefer nachgeben, und alles beginnt zu kreisen. Schlag folgt auf Schlag in einer Geschwindigkeit, die ihm den Atem raubt. Es sticht hinter seinen Augen, und grelle Lichtfunken blitzen auf, bis er nichts mehr hört und nur noch die stechenden Schmerzen spürt.
Blut rinnt aus seinem Mund und mischt sich mit Speichel und Tränen. Iver versucht, sich mit den Armen zu schützen, aber sie gehorchen ihm nicht, vermögen die Schläge nicht zu dämpfen, die auf ihn einhageln. Bald spürt er nicht einmal mehr Schmerzen, dabei gehen die Schläge weiter, sein Kopf wird hin und her geschleudert, und er denkt seltsam klar, dass es für ihn sehr, sehr schlecht aussieht, wenn dieses Bombardement nicht bald ein Ende hat.
76
Dieses Mal ist der Rauch anders. Der Spalt, der zwischen den Rauchwänden aufklafft, ist tiefer, Henning sieht Hände vor sich, die versuchen, den Rauch wegzuwedeln. Es gelingt ihnen sogar ein wenig. Die Konturen eines CD -Regals tauchen vor ihm auf, während er sich hustend weitertastet. Dann bleibt er stehen, dreht sich nach links und sieht einen Streifen Licht, bevor der Rauch sich wieder verdichtet und das Licht verschwindet, so wild seine Hände auch wedeln, bis alles nur noch schwarz ist.
Henning richtet sich mit einem Ruck auf, wischt sich über das Gesicht und sieht sich nach den Flammen um. Es ist kein Knistern zu hören, und die Tür ist unversehrt.
Diese ewigen Träume.
Er lässt sich wieder ins Kissen sinken und wartet darauf, dass es über ihm blinkt. Irgendwo weit entfernt heult eine Sirene. Immer heult irgendwo eine Sirene, denkt er, immer gibt es irgendwo ein Leben, das durch etwas, das in diesem Augenblick passiert, auf ewig verändert wird. Es ist kein Automatismus, dass wir die Augen immer wieder aufmachen. Die Ordnung der Dinge kann jederzeit aus dem Lot geraten.
Jonas hat ihm einmal eine Frage gestellt, wie so oft,
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