Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
Vom Netzwerk:
schweigend beieinander und essen. Obgleich Henning weiß, dass seine Erinnerungen einem anderen Leben angehören, fühlt er wieder die gleiche Zusammengehörigkeit, die Idee eines gemeinsamen Projekts, in dem Pausen erlaubt sind, damit die Stille nach eben ausgesprochenen Sätze sie einhüllen kann. Er weiß aber auch, dass es mit jeder Sekunde, die sie schweigend zusammensitzen, schwerer wird, wieder etwas zu sagen.
    »Ich muss dir etwas erzählen …«
    Nora beißt in das Baguette und kaut abwesend.
    Henning atmet tief ein. »Ich bin auf etwas gestoßen«, sagt er und fragt sich, wie er weitermachen soll.
    »Was meinst du? Worauf bist du gestoßen?«
    »Es hat mit dem Brand zu tun.«
    »Mit dem Brand? Was willst du …«
    »Ich weiß inzwischen, dass es Brandstiftung war. Jemand hat in meiner Wohnung … bei uns zu Hause … bei mir Feuer gelegt, an dem Tag …«
    Er vollführt eine hilflose Bewegung mit dem Arm.
    »Henning, was willst du damit …«
    »Hör mir einfach nur zu, Nora«, fällt er ihr ins Wort. »Ich weiß, dass ich recht habe. Und ich bin endlich auf eine Spur gestoßen, die von Bedeutung sein könnte. An dem Tag, als es gebrannt hat – Tore Pulli hat sich an dem Tag vor meiner Wohnung aufgehalten, und …«
    Nora stellt den Teebecher mit einem Knall auf den Tisch. »Henning, verdammt, was redest du da? Spur? Tore Pulli? Willst du damit etwa sagen, dass es einen Schuldigen für Jonas’ Tod gibt? Ist es wirklich das, was du mir sagen willst?«
    »Ich …«
    »Und was zum Teufel hat Tore Pulli damit zu tun?«
    Henning sucht nach den richtigen Worten, um die Glut zu löschen, die in ihren Augen lodert, findet aber keine.
    Nora schiebt den Stuhl zurück. »Scheiße, Henning, ich wusste ja, dass du besessen bist, aber nicht so besessen.«
    »Nora, nicht …«
    »Vergiss es. Vergiss es einfach. Ich will nichts davon hören! Nie mehr! Und komm nicht mehr hierher. Sei so gut, und komm nicht mehr her.« Auf dem Weg nach draußen stößt sie gegen einen Stuhl, der fast umkippt.
    Idiot, schimpft er mit sich selbst. Da brauchst du fast zwei Jahre, um wieder normal atmen zu können, wenn du mit ihr in einem Raum bist. Und jetzt machst du alles in ein paar Sekunden wieder kaputt. Hast du etwa geglaubt, dass sie in Jubelstürme ausbricht? Super, Henning. Es freut mich, dass du eine Spur hast. Komm schon, ich weiß, dass du herausfinden kannst, wer unseren Sohn umgebracht hat! Mein Held!
    Er hätte vorher das Terrain sondieren müssen, herausfinden, was Nora über den Tag denkt und ob sie seinen Verdacht teilt. Im Grunde genommen weiß er, dass sie längst einen Strich unter das Kapitel Jonas gezogen hat. Nicht in ihrer Seele, da lebt Jonas weiter, aber für den Alltag hat sie all die Kerben dick überlackiert. Er schüttelt den Kopf. Klasse, Henning. Eine echte Glanzleistung.
    83
    Das Kaff sollte Hölle heißen und nicht Gol, denkt Ørjan Mjønes, als er nach drei Stunden Wanderung durch das Zentrum und die Außenbezirke des Ortes wieder in den Zug steigt. Er hat endgültig genug von Hotels und Motels, Bars und Cafés, in denen die Leute den Kopf schütteln, wenn er ihnen die Bilder von Thorleif Brenden zeigt. Durim mag recht haben – es ist, wie die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Auch die anderen beiden haben in Flå oder Nesbyen noch keinen Erfolg zu verbuchen. Jetzt sind sie auf dem Weg nach Ål und Geilo. Mjønes geht nicht aus dem Kopf, was Goofy gesagt hat. Es eilt langsam.
    Er sucht sich einen freien Platz am Fenster und informiert Durim und Jeton, bevor er den Kopf an die Scheibe legt und mit dem Gedanken spielt, dass Brenden möglicherweise an genau diesem Platz gesessen hat. Was hat er wohl gedacht? Was war sein nächster Schritt?
    Mjønes ruft Flurim Ahmetaj an und fragt leise: »Hast du herausgefunden, ob Nummer eins irgendwelche Verwandten, Familie oder sonst irgendwelche Verbindungen zwischen Flå und Finse hat?«
    »Ich habe nichts gefunden.«
    »War er in der Nähe vielleicht beim Militär oder etwas in der Art?«
    »Nein, er hat seinen Dienst in Jørstadmoen verrichtet.«
    »Jag den Typen noch einmal durchs System, dieses Mal detaillierter, überprüf sein Profil auf Facebook, und check ab, ob hier in der Gegend irgendwelche Freunde von ihm wohnen.«
    Ahmetaj seufzt. »Das hätte vor zwei Tagen vom Tisch sein sollen. Ich hab noch andere Aufgaben. Wenn du mich noch länger brauchst, also über heute hinaus, dann kostet das was.«
    »Ihr arbeitet, bis die Sache erledigt ist. Das war so

Weitere Kostenlose Bücher