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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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erschweren Ihnen die Verbände jede Bewegung. Nein, nein, Sie sind völlig in Ordnung.«
    Iver hat das Gefühl, in die Matratze zu sinken.
    »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Seit Freitag.«
    »Und heute ist …«
    »Heute ist Sonntag.«
    Iver nickt, vorsichtig. Glattes, nach hinten gekämmtes Haar, Bartstoppeln. Ein Mann, der Schwedisch spricht. Jacob Aalls. Abendessen. SMS. An Henning.
    Maria ist auf dem Weg aus dem Zimmer, als Iver noch einmal nach ihr ruft.
    »Ja?«
    »Wären Sie so lieb, mir einen Gefallen zu tun?«
    Henning ist gerade in den Spätsommertag hinausgetreten, als sein Handy klingelt.
    »Hallo?«, sagt er.
    »Iver ist aufgewacht«, sagt Nora.
    »Wirklich?«, ruft Henning. »Das ist ja fantastisch! Ist er … Wird er was zurückbehalten?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Hat er was gesagt?«
    »Nicht sehr viel.«
    »Haben die Ärzte etwas zu den Verletzungen gesagt?«
    »Nein, ich bin gerade auf dem Weg dorthin. Und … Er will, dass du auch kommst.«
    Henning bleibt stehen. »Hat er das gesagt?«
    »Ja, du warst … Du warst der Erste, nach dem er gefragt hat.«
    Henning hört die Enttäuschung in ihrer Stimme, aber darüber kann er sich jetzt gerade keine Gedanken machen.
    »Okay, ich bin unterwegs«, sagt er.
    92
    Iver ist nach dem Aufwachen aus der Intensivstation auf eine normale Station verlegt worden, sodass es eine Weile dauert, bis Henning sich endlich durchgefragt hat. Er bleibt ein paar Sekunden vor der Tür zum Krankenzimmer stehen. Schließlich klopft er, macht leise auf und tritt ein.
    Nora sitzt auf einem Stuhl neben Ivers Krankenbett. Sie lässt seine Hand los. Ivers Augen sind in dem heftig verschwollenen Gesicht kaum zu sehen. Seine Lippen sind trocken.
    »Hallo«, sagt Henning vorsichtig.
    »Hallo«, antworten Iver und Nora im Chor.
    »Wie geht’s dir?«, fragt Henning.
    »Gut, glaube ich. Gut genug jedenfalls.«
    Seine Stimme klingt schleppend und kraftlos. Die Lippen verziehen sich zu einem leichten, faltigen Lächeln. Henning schaut sich nach einem Stuhl um, findet aber keinen. Sein Blick bleibt an dem üppigen Blumenstrauß hängen, der bunt leuchtend in einer Vase auf dem Tisch steht.
    »Ich hole mir einen Becher Kaffee«, sagt Nora und steht auf. »Will noch jemand einen?«
    »Nein, danke«, sagt Henning und schüttelt den Kopf.
    Nora sieht Iver an.
    »Ich glaube, ich darf noch keinen Kaffee trinken«, sagt er.
    Nora nickt.
    Henning wartet, bis sie die Tür hinter sich zugezogen hat, ehe er an Ivers Bett tritt. »Ich hab gar nichts mitgebracht, aber …«
    Der Satz bleibt unvollendet in der Luft hängen.
    »Was wolltest du denn mitbringen? Blumen?« Ivers Lippen ziehen sich wieder auseinander, sehen aus, als könnten sie jeden Augenblick reißen. »Sei so gut, und setz dich. Stehende Leute machen mich nervös.«
    »Ach ja, sorry, hab ich vergessen.«
    »Scheiß drauf.«
    Henning grinst. »Gut, dass du nichts gegen Schweden hast«, sagt er und setzt sich auf den Stuhl. Der Sitz ist noch warm.
    »Wieso?«
    »Weil dein ganzes Gesicht gelb und blau ist.«
    »Oh.«
    Seine Lippen spannen sich wieder. Kein gutes Timing für Witze, denkt Henning. Er sieht Iver an. Vor bald zwei Jahren hat er selbst so ausgesehen. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass keiner der Stuhlsitze an seinem Bett warm war.
    »Erinnerst du dich an das, was geschehen ist?«, fragt Henning, um auf andere Gedanken zu kommen.
    »Ich erinnere mich daran, dass ich in die Luft gehoben wurde, als würde ich nichts wiegen, und dann hat’s geknallt.«
    »Konntest du sehen, wer es war?«
    »Nein, aber er war stark. Ich habe versucht, mich loszureißen, hatte aber nicht die geringste Chance.«
    Iver schiebt seinen Arm an einem Kabel entlang, das über seinem Bauch liegt, angelt sich die Fernbedienung und drückt eine Taste. Das Bett beginnt zu summen. Langsam wird sein Oberkörper hochgefahren.
    Henning nimmt sein Handy heraus. »Erkennst du dieses T-Shirt wieder?«, fragt er und dreht das Display so, dass Iver es sehen kann.
    »Ich weiß nicht. Es ging alles so schnell.«
    Henning nickt und schiebt das Handy zurück in die Jackentasche. »Ich glaube, Petter Holte hat dich zusammengeschlagen«, sagt er.
    »Pullis Cousin?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Das weiß ich nicht. Aber Petter ist oder war zumindest früher mal Geldeintreiber. Und er ist Türsteher im Åsgard .«
    Iver nickt. Soweit das möglich ist. »Wusstest du, dass er gesessen hat?«, sagt er, während er versucht, eine bequemere Liegeposition zu finden.
    »Nein«,

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