antwortet Henning überrascht. »In welchem Zusammenhang?«
»Im letzten Jahr hat es am Weltfrauentag vor dem Åsgard eine Demonstration gegeben. Petter hat sich eine der Emanzen zu heftig vorgeknöpft und ist dafür einige Monate in den Knast gewandert.«
»Sieh an. Hat er seine Strafe im Botsen abgesessen?«
»Ja.«
»Weißt du, ob er mit seinem Cousin zusammen gesessen hat?«
»Das weiß ich nicht. Da drinnen gibt es Hunderte von Abteilungen. Aber sie hatten sicher Gelegenheit, sich zu treffen. Soweit ich weiß, hat jeder Anspruch auf eine Stunde Freigang.«
Henning nickt. Falls sie zusammen im Gefängnis waren, könnte während dieser Zeit durchaus irgendetwas zwischen ihnen vorgefallen sein.
»Du hast gesagt bekommen, dass du es in nächster Zeit ruhig angehen sollst, nehme ich an«, sagt Henning. »Wir sollten vielleicht nicht so viel über Geschäfte reden.«
»Ach was, so was sagen sie nur im Film, Sherlock.«
Henning grinst wieder. »Haben die Ärzte gesagt, wie lange sie dich hierbehalten wollen?«
»Nein, aber vermutlich noch eine ganze Weile. Ich werde mich zu Tode langweilen. Jetzt wirst du den Drachen wohl allein mit Top-Nachrichten füttern müssen. Ich weiß ja, dass das ohne mich schwer werden wird, aber …«
Henning lacht. »Kannst du SMS schicken, oder brauchst du dafür auch Hilfe?«
»Ich habe es noch nicht probiert.«
Nora kommt ins Zimmer, das augenblicklich wärmer und enger wird. Henning steht auf.
»Weißt du, wo mein Handy ist?«, fragt Iver.
»Nein«, antwortet Nora. »Aber ich kann versuchen, das rauszufinden.«
»Danke.«
Sie verschwindet wieder nach draußen. Henning blickt ihr nach, ehe er sich wieder Iver zuwendet. »Ich muss los«, sagt er.
»Wo geht’s hin?«
»Nach … nach Hause.«
»Okay.«
Es wird wieder still. Henning geht zur Tür.
»Henning?«
Er bleibt stehen, dreht sich um.
»Ist es weg?«
»Was?«
»Das Siegergrinsen?«
Henning sieht seinen Kollegen an, ernst diesmal.
»Ja, Iver. Es ist weg. Wie fühlt sich das an?«
»Verdammt schmerzhaft.«
Henning lächelt.
Es ist lange her, dass er so viel gelächelt hat.
93
Das Telefon klingelt, als Henning zum Krankenhauskiosk geht, um sich eine Zeitung zu kaufen.
»Du Klette«, sagt er scherzend.
»Henning«, antwortet Iver aufgeregt. »Ich glaube, ich habe eine E-Mail von Thorleif Brenden bekommen.«
»Was?«
»Im ersten Moment habe ich es für Spam gehalten, aber der Inhalt lässt darauf schließen, dass die Mail von ihm ist.«
»Ich komme sofort«, sagt Henning und schmeißt die Zeitung beiseite. Gleich darauf ist er zurück im Krankenzimmer.
»Was schreibt er?«, fragt Henning aufgeregt und stellt sich neben das Bett. In einem kurzen Augenblick registriert er, dass Nora nicht mehr da ist.
»Lies selbst«, antwortet Iver. Henning nimmt das Mobiltelefon und beginnt zu lesen.
Von: GulvSprekk [
[email protected] ]
Betreff: TV2-Fotograf vermisst
An: Iver Gundersen [
[email protected] ]
Hallo. Ich habe gesehen, was Sie über mich geschrieben haben.
Ich wende mich an Sie, weil ich nicht weiß, wem ich noch trauen kann. Ich lebe noch und bin noch immer bei Verstand – obwohl es reichlich Anlass gäbe, das nicht zu sein.
Ich brauche Hilfe. Ich wurde gezwungen, einen Mord zu begehen. Ich habe Tore Pulli umgebracht. Ich hatte keine Wahl. Jetzt bin ich auf der Flucht vor denen, die mich dazu gezwungen haben, weil ich glaube, dass sie auch mich umbringen wollen.
Henning braucht ein paar Minuten, um den Rest der Mail zu lesen. Er sieht Iver an.
»Verdammt«, sagt er. »Das ist doch …«
»Ich weiß.« Iver nickt. »Schick die Mail an deine Adresse, oder nimm mein Handy mit.«
»Ich schick sie an mich. Antworte ihm, und versuch, Kontakt zu ihm aufzunehmen.«
»Das wird schwierig«, sagt Iver mit einem Blick auf seine Hände. »Nora musste mir eben schon helfen, dich anzurufen.«
»Oje«, sagt Henning beschämt. »Daran hab ich nicht gedacht …«
»Schwamm drüber«, sagt Iver.
Henning leitet die Mail weiter, dann geht er zur Tür.
»Halt mich auf dem Laufenden«, ruft Iver ihm nach.
»Selbstverständlich«, antwortet Henning. Als er durch den Korridor in Richtung Fahrstuhl läuft, nimmt er sein eigenes Handy und wählt Bjarne Brogelands Nummer.
»Nichts Neues zu vermelden«, antwortet Brogeland resigniert.
»O doch, und ob. Sind Sie im Büro?«
»Ja.«
»Holen Sie mich in einer halben Stunde unten ab. Ich habe Ihnen was verflucht Wichtiges zu