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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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sehr wichtig.«
    »Ich denke ja nach«, sagt Kittelsen mit Nachdruck und atmet schwer in den Hörer. Dann seufzt er resigniert. »Tut mir leid, ich glaube nicht, dass ich ihn gesehen habe.«
    »Vielleicht war er ja auch gar nicht in Ihrem Zug«, sagt Mjønes, während er seine Enttäuschung zu verbergen sucht. Er nimmt den Verschluss von dem schwarzen Stift.
    »Trug er eine dunkle Sonnenbrille?«, fragt Kittelsen auf einmal.
    Mjønes hält inne und sieht noch einmal auf das Bild von Brenden. »Ja, das trifft zu.«
    »Und eine schwarze Kappe?«
    »Gut möglich. Haben Sie ihn gesehen?«
    »Ich glaube schon«, sagt Kittelsen aufgeregt. »Ziemlich helle Haut und einen Bart?«
    »Das ist er«, ruft Mjønes und kann seine Aufregung nicht länger verbergen. »Erinnern Sie sich daran, wo er ausgestiegen ist?«
    Es wird wieder still.
    »Da waren so viele Passagiere«, sagt Kittelsen zurückhaltend.
    »Ich weiß. Bitte versuchen Sie es trotzdem.«
    »Tut mir leid …«
    »Wissen Sie noch, ob er kurz oder lange bei Ihnen im Zug war?«
    Neue Denkpause.
    »Ich denke, der war eine ganze Weile da.«
    »Wie lange? Was glauben Sie?«
    »Ein paar Stunden waren es schon.«
    »Okay? Länger als drei Stunden? Vier Stunden?«
    »Ich weiß nicht«, sagt Kittelsen, offensichtlich verunsichert. »Aber ich bin mir ganz sicher, dass er noch da war, als wir in Flå gehalten haben. In Finse war er dann aber weg.«
    »Wie viele Stationen gibt es zwischen Flå und Finse?«
    »Sechs«, sagt Kittelsen prompt.
    »Okay, das wäre schon mal ein Anhaltspunkt. Herzlichen Dank. Sie waren uns eine große Hilfe.«
    »Gern geschehen.«
    73
    Iver Gundersen läuft über den Bogstadveien in Richtung Innenstadt, als sein Blick an der Kreuzung der Josefines gate von einem Schild rechterhand angezogen wird. Eine Burg in einem Herz umrahmt die Buchstaben ÅSGARD . Iver muss lächeln. Ganz schön platt, die Symbolik.
    Es ist noch ein bisschen früh für diese Art von Etablissement – gerade einmal 22.00 Uhr –, aber damit steigen seine Chancen, dass das Lokal noch nicht so voll ist.
    Nora hat es ganz und gar nicht gefallen, dass er nach dem Essen noch arbeiten wollte, und es war ihrer Laune alles andere als zuträglich, dass er ihr nicht sagen wollte, worum es sich bei dieser Arbeit handelte. Diese Diskussionen waren nicht neu. Iver redet gern mit ihr über allgemeine Themen oder gemeinsame Projekte, nicht aber über Dinge, die mit seiner Jagd nach brandaktuellen News zu tun haben. Wenn er auf der Spur von etwas Wichtigem ist, teilt er seine Informationen nicht einmal mit ihr. Nora versteht das nicht, sie erwartet von ihm Vertrauen und beteuert immer wieder, ihm niemals eine Story oder auch nur einen Ansatzpunkt stehlen zu wollen. Aber für ihn ist das eine Frage des Prinzips. Außerdem bezweifelt er, dass es sie milder stimmen würde, wenn sie über den Ort seiner abendlichen Recherche Bescheid wüsste.
    Iver geht auf einen roten Teppich zu, der aus der Tür des Striplokals auf den Bürgersteig führt, und gelangt unter einen Baldachin mit offenen Wänden. Vor der Tür des Lokals stehen zwei Türsteher, die sich in ihren schwarzen Anzügen verdammt ähnlich sehen. Beide haben aufgeblasene Muskeln und sind verkabelt.
    Iver geht über ein paar Stufen nach oben und kommt in ein Lokal, das sich zu seiner Linken hin öffnet. An den Wänden sind kleine, abgetrennte Sitzgruppen, in denen man unbeobachtet Zuflucht suchen und einfach nur zusehen kann, wenn man vor Erregung ins Schwitzen kommt. Ein Tresen schiebt sich bis weit in den Raum hinein und knickt dann in einem Neunzig-Grad-Winkel nach links ab. Die kleine Bühne mit der klassischen Stange badet in violettem Licht. Rechts am Rand des Raums finden sich weitere Sitzgruppen und ein paar Tische und Stühle, und an den Wänden hängen Fotos von nackten Frauen. Eine Wendeltreppe führt nach oben in die zweite Etage, in der Iver sich eine ähnliche Landschaft vorstellt, vielleicht ergänzt durch ein paar private Räume.
    Iver nickt dem Barkeeper zu und stellt sich vor. »Ist Even Nylund da?«, fragt er und zeigt seinen Presseausweis, als wäre er beim FBI und erwartete, dass der Ausweis sogleich alle Türen öffnet.
    Der Barkeeper, der mit größter Selbstverständlichkeit ein weißes T-Shirt mit einer schwedischen Flagge trägt, sagt: »Ich schau mal nach. Bin gleich wieder da.«
    Iver macht es sich auf einem Barhocker bequem, legt den Block vor sich hin und holt sein Handy heraus, um während des Wartens etwas zu tun

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