Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
gleichgesinnte Kriegerin aus der Mittelschicht gegen die Blaublütigen? In diese Toilettengefechte würde ich mich nicht reinziehen lassen. Oder war die Seaton-Hall-Mission zu wichtig, um vermasselt zu werden? Als ob ich das nicht wüsste! Die ganze Kulturerbe-Szene lechzte seit fünf Jahren danach, zumindest einen kurzen Blick auf das Haus zu erhaschen, das der Duke und die Duchess renovierten. Aber die Duchess gewährte niemandem Zutritt, ehe das Projekt nicht abgeschlossen war. Dass es Millionen kostete, wusste man schon jetzt. Zweifellos war man wahnsinnig privilegiert, wenn man sich vor allen anderen in Seaton Hall umschauen durfte.
»O Gott!« Stöhnend sank Ticky in ihren Sessel. »Was für eine Erleichterung! Ich habe gepinkelt wie ein Rennpferd!«
»Danke für die detaillierte Berichterstattung.«
»Habe ich da gerade Marth weggehen sehen? Hat sie etwas über den Streit erzählt?«
»Nein, ich muss nächste Woche ihr Projekt des Duke und der Duchess übernehmen und aufs Land fahren.«
»Was? Sie gibt Seaton Hall auf?«, rief Tilly und witterte sofort ein Drama, beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch. »Unfassbar! Also deshalb haben sie gestritten. Kampflos hat sie nicht darauf verzichtet. Aber warum sollst du das machen?«
»Keine Ahnung. Martha hat nur gesagt, dass sie mich dafür ausgesucht hat. Und ich muss den Fotografen im Auge behalten, ist wahrscheinlich kein richtiger Profi.«
»Komisch.« Ticky lehnte sich zurück, legte die Füße auf den Schreibtisch, schwenkte ihren Drehsessel hin und her und starrte zur Decke. »Hat Maaahn ihr den Auftrag weggenommen und ihr die Auswahl der Vertretung überlassen, um den Frust zu mildern? Natürlich glaubt Marth, dich könnte sie am leichtesten herumkommandieren. Vermutlich sollst du den Artikel unter ihrem Namen schreiben.«
»Oder – äh – sie dachte, ich würde gute Arbeit leisten.«
»Das wirst du auch, Roars. Daran zweifle ich nicht. Aber gib’s zu, dir kann sie leichter ihren Willen aufzwingen als zum Beispiel Noonoo oder sonst jemandem, der seine eigenen Pläne hat und die Lorbeeren selbst ernten will.«
»Wie auch immer!«, fauchte ich. Vorlaut und grob wie Ticky war, konnte sie die Qualitäten meiner Arbeitsweise gar nicht wahrnehmen – ich war gewissenhaft, sanft und bewegte mich hinter den Kulissen, ohne die Leute zu beleidigen. Nur weil ich Streitigkeiten mied und nicht dauernd darauf bestand, meinen Willen durchzusetzen, bedeutete das keineswegs, dass ich mich unterkriegen lassen würde.
»Wer fotografiert?«, fragte sie und warf ihre Haare zur Seite.
»Was tut denn das jetzt zur Sache?«
»Wer – ist – es?« Ein mysteriöses Lächeln umspielte ihre Lippen.
»Jemand, den wir nicht kennen – mit der Duchess verwandt.«
»Name?«
»Lance Garcia.«
»Lance?«
»Aus San Francisco.«
Grinsend warf sie wieder ihre Haare seitwärts. »Oh, mein Goooott, Roars! Höchste Alarmbereitschaft! Ein unpassender Mann!«
»Was? Lance Garcia? Das ist kein Date, Ticky. Ich fahre am Montag nach Derbyshire, um einen Artikel zu schreiben, und werde da nur eine Nacht verbringen.«
»Hm – Montag, ja? Hallo, Erde an Roars! V-Day?«
»V-Day?«, echote ich.
»Klar, am Montag ist Valentinstag. Hast du das noch gar nicht gemerkt?« Ticky schrie vor Lachen. »Und du wirst in einem romantischen Hotel auf dem Land mit einem total unpassenden, stockschwulen Mann übernachten. Das ist fast zu gut, um wahr zu sein! Nicht einmal ich könnte so was erfinden. O Goooott, das ist unbezahlbar!«
»Moment mal, woher weißt du, dass er schwul ist? Kennst du ihn?«
»Nein, ich kenne ihn nicht, Roars«, kicherte Ticky. »Aber er ist Fotograf, kommt aus San Francisco, und er heißt Lance . Im Eeernst, das ist so offensichtlich, dass sogar du darauf hättest kommen können.«
Hätte ich? Warum schien die Welt seit meiner Trennung von Martin auf eine Weise zu funktionieren, die alle Leute verstanden, nur ich nicht?
6
Clapham war durch seinen großen Park Clapham Common vermutlich eine der grüneren Gegenden Londons. Doch sobald ich die Stadt verließ und aufs richtige Land kam, wurde offensichtlich, dass es überschätzt wurde. In Clapham Common sah das schlammige braune Gras voller Hundedreck und fettiger Plastikbehälter mit Brathuhnresten immer noch öde und winterlich aus. Was am Fenster des Zugs auf der Fahrt nach Derbyshire vorbeiglitt, zeigte dagegen schon erste Anzeichen des Frühlings. An die Gipfel ferner Hügel klammerten
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